Friedenspädagogik in der Postmoderne

Ausgabe: 1999 | 2

Gewalt begeistert. Sie besitzt - das wird gerade in Kriegszeiten deutlich - gegenüber Frieden „attraktive Vorteile“. Sie gibt u.a. vor, eindeutig zu sein, für klare Verhältnisse sorgen zu können. Frieden hingegen ist ein ständiger, komplexer, dialektischer Prozeß. Diese Auseinandersetzung wird eher als anstrengend denn als lustvoll empfunden.

Werner Wintersteiner beschreibt in seinem Buch hingegen anderes: wie dieser alltägliche Prozeß des Friedens und die Widersprüche der Postmoderne in eine Pädagogik umgesetzt werden können. Seine Auffassung von Pädagogik ist höchst politisch - die „Politik ist auf die 'kulturelle Basis' angewiesen“, weshalb sie einander bedingende Faktoren sind. Wiewohl Pädagogik langsamer, somit dauerhafter und unbestimmter agiert und wirkt. „Lernen“, „Kultur“ und „Frieden“ stehen in enger Beziehung zueinander.

„Wintersteiner hat das erste Buch geschrieben, das mit friedenspädagogischer Absicht  Kultur als Schlüsselkonzept für Frieden und Gewalt sowie Globalisierung als Schlüsselstruktur der heutigen Welt thematisiert“ (Johan Galtung im Vorwort).

„Für mich ist die Empfindsamkeit die eigentliche Voraussetzung dafür, den Anderen als Anderen wahrzunehmen und zu akzeptieren (S. 229)“. Das Erlernen von globaler Wahrnehmung und Identifikation ist die Voraussetzung für globale Solidarität.

All das sind keine hohlen Phrasen, keine Ideologismen, die in der Praxis nicht umsetzbar wären. In zehn Thesen skizziert Wintersteiner, wie eine theoretisch fundierte Friedenspädagogik praktisch auf- und ausgebaut werden kann. Er präsentiert Konzepte und Projekte, schlägt Curriculumsänderungen vor. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Wintersteiner zieht sich hier weder auf die fatalistische Position zurück, „das System“ zu beschuldigen, noch begnügt er sich mit individualisierenden Vorschlägen zur Verhaltensänderung.

Der Autor macht es dem/der LeserIn in seiner Konsequenz nicht einfach. Er zwingt immer wieder zu Reflexion. Und ab und an zwingt er - sogar das kann unbequem sein - zu Optimismus. Da er dabei auf moralischen Druck verzichtet, kann Friedenspädagogik zur begeisternden Idee und Praxis werden. „Was wir brauchen, um Frieden zu begründen, ist die Anerkennung der Differenz, nicht als ein Unglück, mit dem man leben muß, sondern als Voraussetzung alles Seins (S. 137)“. Gegensätze können unvereinbar sein - bringt man den Mut dazu auf, das zu akzeptieren, wäre eine Grundvoraussetzung für Frieden geschaffen.

Gerade wenn die Kultur der Gewalt wieder zum Glauben an ihr Vermögen aufruft, kann die Idee einer Kultur des Friedens langsam und nachhaltig begeistern. Die Erziehung zum Frieden muß „Frieden als Wagnis, als das größte und spannendste Abenteuer der Menschheit lehren“. I. B.

Wintersteiner, Werner: Pädagogik des Anderen. Bausteine für eine Friedenspädagogik in der Postmoderne. Mit einem Vorw. v. Johan Galtung. Münster: Agenda-Verl., 1999. 398 S., DM 49,80 / sFr 46,- / öS 364,-