Frauenpolitik in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa

Ausgabe: 1996 | 2

Die Zeit der Manifeste scheint vorbei. Das ist der Gesamteindruck, den die Beiträge dieses Sammelbandes hinterlassen. Nicht Postulate und Parolen, nicht Polemiken und Pauschalisierungen bestimmen heute die internationale Diskussion zur Frauenfrage. Es überwiegen empirisch-pragmatische Ansätze und detailgenaue Analysen, die sich den Blick auf die Fakten nicht durch vorgefaßte Meinungen verstellen lassen. Die einstmals so simpel wirkende Dichotomie von Gleichheitsthese versus Differenzthese hat sich   längst aufgefächert und ist von einer unübersichtlichen Vielzahl miteinander konkurrierender Modelle abgelöst worden. Im Mittelpunkt des Buches steht die ökonomische Seite der Emanzipation. Sie wird vornehmlich anhand von Beispielen aus Entwicklungsländern abgehandelt. Während noch vor wenigen Jahren die Frau generell als Modernisierungsverliererin galt, geben sich die heutigen Studien nicht mehr mit einer solchen Verallgemeinerung zufrieden, die zudem den weiblichen Opferstatus festschreibt. Es wird nicht mehr am Konstrukt "der Frau" an sich festgehalten. Zu sehr differieren die Verhältnisse, in denen Frauen auch in ein und derselben Gesellschaft leben. Auch hat es sich als wenig hilfreich erwiesen, die ganze sogenannte "Dritte Welt" über einen Kamm zu scheren. Seit ein paar Jahren geraten deshalb soziale, ethnische und religiöse Unterschiede sowohl innerstaatlich als auch im internationalen Vergleich stärker ins Blickfeld. Breiter Raum ist der kritischen Darstellung einzelner Entwicklungsprojekte in verschiedenen Ländern gewidmet. Für die Beobachterinnen und Beraterinnen, die fast ausnahmslos dem weißen westlichen Mittelstand angehören, erhebt sich dabei immer wieder die Frage, ob sich hinter den gutgemeinten Hilfsangeboten nicht eine neue Form der Kolonisierung und Bevormundung verbirgt. Die Spannung zwischen dem Universalitätsanspruch der Menschenrechte und dem Beharren auf Traditionen und kultureller Eigenständigkeit wird zwar immer wieder thematisiert, doch gerade in diesem Bereich, dessen Aktualität angesichts der weltweit wachsenden nationalistischen, ethnozentristischen und fundamentalistischen Strömungen weiter zunehmen dürfte, wäre eine eingehendere Auseinandersetzung wünschenswert gewesen. In ihrer Perspektivenvielfalt erweist sich diese vor drei Jahren entstandene Aufsatzsammlung, die auf das von der UNO 1975 proklamierte Jahrzehnt der Frau zurück- und auf die Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 vorausblickt, auch heute noch als brauchbares Kompendium über den gegenwärtigen Stand der theoretischen und praktischen Frauenarbeit in vielen Regionen der Welt. R. L.

Frauenarbeit - Frauenpolitik in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Internationale Diskussion. Hrsg. v. Brigitte Hasenjürgen .... Münster: Weltfälisches Dampfboot. 1993. 277 S.