Eine Welt - vom Nationalismus zur Weltgesellschaft

Ausgabe: 1994 | 3

Mit dem Wissen des Historikers und Politikwissenschafters sowie der lebendigen Sprache des Journalisten beschreibt Frank Niess die Geschichte einer Utopie, der „One World or None". Das übernationale Ambiente der Händler, Seefahrer und Scholaren des Mittelalters sind ihm dabei ebenso wie vor Umwelt- und Weltkriegsgefahren warnende Wissenschaftler der Gegenwart Kronzeugen einer möglichen und notwendigen Weltgesellschaft, der Aufstieg der Nationen im 19. Jahrhundert mit seinen kriegerischen Rivalitäten wie der in die Weltwirtschaftskrise schlitternde Protektionismus der 30er Jahre warnendes Signal vor einer erneuten Abschottungspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts.

Auch wenn Niess den wiederaufflammenden Partikularismus als "Antwort auf die Hypertrophie dieser Weltzivilisation" versteht, als Reaktion auf nivellierte Lebensstile und Einheitskultur, plädiert er - sich auf historische Vertreter universalistischer Ideen berufend - für ein Weltbürgertum nach dem Motto "Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit". Der Redakteur des Süddeutschen Rundfunks zitiert zahlreiche Stimmen aus Wissenschaft und Politik, die für globale Kooperation plädieren, auch solche, die einen Weltstaat oder eine Weltregierung fordern; seine Utopie entspricht jedoch einer demokratisierten Bürgerwelt. So fordert er, die Hegemonialbestrebungen der USA scharf attackierend, die Demokratisierung der Vereinten Nationen, die von der heutigen" Botschafterkonferenz" zu einem wirklichen "WeItparlament" ausgebaut werden sollten.

Der Autor spricht auch vom" Mythos der Einen Welt" und belegt diesen (einmal mehr) mit Fakten zur weltweit ungleichen Reichtumsverteilung sowie dem weltweit drohenden Ökokollaps. Einmal mehr hören wir Appelle zur Umkehr, zur" Disziplinierung des Zivilisationsprozesses ", zu einem "Mittelweg zwischen Mangel und Überfluss ". Wissen wir alles, ließe sich einwenden, und doch bleiben warnende Bücher wie dieses, die auch einen appellativen Stil nicht scheuen, notwendig, denn die Anzeichen für entsprechendes Handeln sind noch immer rar.


H.H.

Niess, Frank: Eine Welt oder keine. Vom Nationalismus zur globalen Politik. München: Piper, 1994. 2885., DM 34,- / sFr 31,30/ ÖS 265