Menschheitsentwicklung - eine neue Evolutionsgeschichte

Ausgabe: 1988 | 4

Moosleitner stellt hier seine eigenwilligen und zugleich provokanten Ansichten zum Entwicklungsgang des Menschen von seinen Anfängen bis zum jetzigen Bewußtseinsstand vor. Die Entstehung des menschlichen Bewußtseins, unser Denken und Sprechen ist für ihn nur tiefenpsychologisch zu fassen. Das Denken ist nicht nur rational, sondern zugleich eine Triebhandlung, "die nur zustande kommt, wenn ein ganzes Geflecht von Antrieben zusammenwirkt, zu denen vor allem auch Emotionen gehören".

Der Autor beginnt seine neue Evolutionsgeschichte bei den Anfängen der Menschheit und beschreibt dabei auch die Stationen vom Tier zum Menschen. Interessante Erklärungen finden sich zum Thema Mann und Frau in der Frühzeit. Sein besonderes Augenmerk gilt, dem Titel des Bandes folgend, der Entwicklung zum Einzelmenschen. Meilensteine auf dem Weg dorthin sind die industrielle Revolution und die damit einhergehende Relativierung des christlichen Glaubenssystems. Dadurch wurden "immer mehr Menschen wenigstens partiell zu Einzelmenschen (...) - zu Trägern von eigenem Wissen und eigener Entscheidungskraft". Die anfangs langsame Entwicklung hat inzwischen eine ungeheure Geschwindigkeit erfahren. Mehr und mehr lösen wir uns aus bisher fraglos akzeptierten Einbindungen. "Es ist der Einzelmensch, für den es nichts mehr gibt zwischen ihm und dem Übermächtigen, das ihm Angst macht.". Ein schreckliches Symbol für dieses Übermächtige "besteht in der Erfahrung, daß nichts mehr in unserer Welt unumstößlich, nichts mehr wahr nichts mehr klar zu sein scheint". Es gibt für den Menschen kein Zurück mehr. Für Moosleitner haben demnach alle bisherigen Fortschritte der Menschheit das Unbehagen an der Gegenwart als Triebkraft. Durch Bewußtwerdung der hier beschriebenen Entwicklung wird ein neues Miteinander möglich. "Wir werden endlich Menschen, weil wir unserem Menschsein nicht mehr gespalten gegenüberstehen (und) uns damit abfinden, (...) weder Geist noch Natur zu sein. "Trotz . der erschreckenden Realität um uns sind wir, so Moosleitners optimistisches Fazit, auf dem Weg zu dieser neuen Synthese.

Moosleitner, Gerhard P.: Wir Einzelmenschen. Eine neue Evolutionsgeschichte. München: Heyne, 1988. 171 S. (Heyne Sachbuch; Bd. 6) DM 9,80/sfr 8,30/öS 76,45