Die Zukunft von Arbeit und Demokratie

Ausgabe: 2000 | 2

Dass unserer Gesellschaft die (bezahlte Erwerbs)Arbeit zwar nicht ausgeht, aber nie und nimmer mehr für alle zu annähernd gleichen Bedingungen verfügbar sein wird, gehört zu den hartnäckig geleugneten Fakten der Politik. Kaum absehbar sind die daraus abzuleitenden Folgen für Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders, denn mit der Neugestaltung und Umverteilung von Arbeit steht auch die Zukunft der Demokratie zur Debatte.

Ulrich Beck, der den einschlägigen Diskurs in Deutschland maßgeblich mit bestimmt, legt im einleitenden Beitrag dieses Bandes dar, dass weder der Neoliberalismus, kein „Dritter Weg“ oder ein „Ökologisches Wirtschaftswunder aus der Krise weisen. Daher gelte es, mit Mythen, Illusionen und falschen Stereotypen aufzuräumen und etwa prekäre Unterbeschäftigung als festen Teil des „Risiko-Regimes der Zweiten Moderne“ in den Blick zu nehmen. Unsicherheit und Entgrenzung ließen sich, so Beck, insbesondere in den Feldern Globalisierung, Ökologisierung, Digitalisierung, Individualisierung und Politisierung der Arbeit ausmachen, wobei etwa die Dialektik von Globalisierung und Lokalisierung“ (S. 43) zu beobachten sei. Becks Plädoyer für schöpferischen Ungehorsam, der sich in (materiell abgesicherter) Bürgerarbeit konkretisiert, zielt darauf ab, „Unternehmergeist mit Gemeinwohlorientierung zu verbinden. Facetten, Probleme und Perspektiven dieses gesellschaftlichen Umbaus werden in 12 nachfolgenden Beiträgen in den Blick genommen.

Dem „Problem der Arbeit in seinen Zusammenhängen“ geht Christian Meier nach, indem er mit Verweis auf die Antike für die Wiederentdeckung der Muße plädiert; in die gleiche Richtung zielt Konrad P. Liessmann, der unserer Auffassung von Arbeit als dem „universellen Maßstab menschlicher Tätigkeit“ die Unterscheidung von Arbeit, Herstellen, Handeln und Kontemplation (nach Aristoteles) gegenüber stellt.

Weitere Texte liefern empirische Befunde (zu den Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung in Wolfsburg, zum Engagement und weiteren Potenzial von Freiwilligen-Arbeit in Deutschland – H. Klages nimmt eine riesige „schlafende Ressource“ von weit mehr als 30% der BürgerInnen an und nennt konkrete Perspektiven der Umsetzung dieser Kapazitäten) und Darstellung der Formen bzw. der Motivation selbst bestimmten Engagements (mit einem Blick auch auf „Kulturen der Freiwilligkeit in anderen Ländern“). A. Biesecker/ U. v. Winterfeld machen auf „Vergessene Arbeitswirklichkeiten“(vor allem soziale und ökologische Kontexte) aufmerksam, und B. Rudolph gibt zu bedenken, dass eine „Gesellschaft pluraler Tätigkeiten“ vor allem für Frauen so manche Falle bereit hält.

Besonders hervorgehoben seien schließlich die stringenten Überlegungen von Wolfgang Bonß zur Entwicklung und Zukunft der Erwerbsarbeit, die er in vier Szenarien bündelt (S. 372ff.): Die Erhaltung der Erwerbsgesellschaft kann – was s. E. wenig wahrscheinlich ist – zu marktgesteuerter radikaler Individualisierung oder zur 2/3 – 1/5 Arbeitsgesgesellschaft mit einem komplementären Teil an Risikopotenzial führen. Das Alternativszenario jenseits der Erwerbsgesellschaft sieht, positiv gewendet, die Herausbildung zivilgesellschaftlicher Solidarität oder eine sozial desintegrierte Nicht-Erwerbsgesllschaft mit massiven Folgeproblemen auf uns zukommen.

Wer sich über Fakten und Perspektiven der Tätigkeitsgesellschaft ein Bild manchen will, wird an diesem Band nicht vorbeisehen dürfen. W. Sp.

Die Zukunft von Arbeit und Demokratie. Hrsg. v. Ulrich Beck. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2000. 451 S. (Edition Zweite Moderne) DM 36,- / sFr 33,- / öS 336,-