Die Zukunft des Lebens ist Technik

Ausgabe: 1997 | 2

In Zeiten postmoderner Beliebigkeit wird es immer schwieriger, Bücher zu verkaufen. Das verleitet Verleger offenbar immer häufiger dazu, Bücher nicht nach ihrem intellektuellen Gehalt zu beurteilen. Wichtigster Maßstab wird die Vermarktbarkeit des Produktes. Und da verkauft sich ein Buch mit möglichst provokantem Inhalt allemal besser als eines mit Substanz. So auch bei dem vorliegenden Werk des Dozenten in der Erwachsenenbildung, Ben Alexander Bohnke. Zentrale These Bohnkes ist, daß der Mensch die Natur nicht retten könne. Auch verstärkte Anstrengungen im Umweltschutz könnten daran nichts ändern. Um nicht mit der Natur zu sterben, müsse sich der Mensch durch die Technik von der Natur lösen, Technikförderung statt Umweltschutz laute die Alternative. Eine ”Lufttechnik" solle in Zukunft statt der Bäume die Sauerstoffproduktion sicherstellen. Und wenn solche "Ersatz-Techniken" nicht hinreichen, würden „Adaptionstechniken" dafür sorgen, daß der menschliche Organismus mehr Schadstoffe verträgt. Abgase und Abwässer will der ehemalige Psychologie-Student durch Buntfärbung ästhetisch akzeptabel gestalten, und die Nahrungsmittel soll künftig ein vom Landwirt zum "Nahrungsingeneur" mutierter ”food-Designer" bereitstellen. Weil Bohnke klar ist, daß eine solch radikale Veränderung der Außenwelt dem Menschen eine tiefgreifende Veränderung der Innenwelt abverlangen wird, plädiert er für "gentechnische oder neurochirurgische Eingriffe", um die "zerebrale Dysfunktionalität unseres gespaltenen Gehirns" zu beheben, Außerdem soll ein "Chip im Kopf oder ein ”gentechnischer Eingriff in die menschliche Keimbahn" dafür sorgen, daß das Kriege auslösende Agressionspotential des "biologisch falsch programmierten Menschen" ausgeschaltet wird. Engagement für   25 die Natur, was Wunder, -speist sich für den Autor, der sich als ehemaliger Anhänger von Natur- und Umweltschutz outet, aus einer verdrängten Naturfeindseligkeit. Engagierte „Ökos" sollten sich von ihrer ”fast libidinösen Bindung an Mutter Natur lösen", denn: "Die Natur überschreitet sich im Menschen selbst. Der Mensch gebiert sich selbst. als neuer Mensch". Es mag sein, daß das Schreiben dieses Buches für den Autor selbst aus therapeutischen Zwecke wichtig war. Rache an der starken "Mutter Natur? Warum aber der ehemalige "Pflasterstrand"-Mitherausgeber Matthias Horx ein derartiges Oeuvre in seiner „Zukunftsbibliothek" herausgibt ist mir unverständlich. Aber wie gesagt offenbar zählt heute nur noch, was provoziert Die allenfalls intendierte sarkastische, und somit auch aufklärerische Wirkung konnte ich trotz intensiver Spurensuche nicht finden. E. H.

Bohnke, Ben A.: Abschied von der Natur. Die Zukunft des Lebens ist Technik. Düsseldorf: Metropolitan, 1997. 297 S., (Leben im 21sten Jahrhundert: Die Zukunftsbibliothek) DM 45, - / sFr 42, - / öS 329