Die Zukunft des Kapitalismus

Ausgabe: 2010 | 2

Die gegenwärtige Krise hat nicht nur Nachdenklichkeit provoziert, sondern kurzfristig auch zur Diskussion angeregt. „Da es nicht nur eine Ökonomie des Geldes, sondern auch eine der Gedanken gibt“, so der Mitherausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, „begann auf breiter Ebene eine Reflexion, die sich nicht mehr von der Binnenlogik angeblich unabweisbarer Funktionsgesetze einschüchtern lassen musste.“ (S. 9) Eine solche Diskussion zwischen dem Feuilleton der FAZ und dem Blogger Thomas Strobl (www.weissgarnix.de) hat nicht nur zu einer FAZ-Serie zum Thema, sondern zum Band „Die Zukunft des Kapitalismus“ geführt. Dieser versammelt Texte von Wolfgang Schäuble, Ingo Schulze, Dirk Baecker, Paul Kirchhof, Peter Sloterdijk, Martin Walser und anderen. Die insgesamt 27 Beiträge zeichnen sich vor allem durch die Heterogenität der Beschreibung von Ursachen und „Gesundungskonzepten“ aus. Mitherausgeber Thomas Strobl hält in seinem Eingangsstatement zunächst einmal fest, dass die Ursachen der Krise weder bei verbrecherischen Bankern noch bei obskuren Finanzprodukten oder ahnungslosen Aufsichtsorganen, sondern im Wesen der Marktwirtschaft selbst lägen. Für bedrohlich hält er es allerdings schon, dass die Krisen seit Mitte der achtziger Jahre in noch nie dagewesener Häufung und Schwere auftreten und „dabei jedes Mal eine gigantische Vermögensvernichtung nach sich ziehen“. (Strobl, S. 13) Dieser Ansicht widerspricht M. A. Gotthelf vehement ebenso wie dem Vorschlag zur „Abkehr von der einseitigen Fokussierung auf die Exportwirtschaft“ in Deutschland. Eine Sichtweise, die Wolfgang Kessler im bereits zitierten Band der Publik-Forum Edition „Geld und Gewissen“ über ethische Geldanlagen und mögliche Wege zu einer gerechteren Finanzwelt teilt. Es gelte, so Kessler, soziale Gerechtigkeit zu organisieren und den eigenen Markt zu stärken sowie „in die sozialen Dienste, in die Umwelt und in den eigenen Bedarf stärker zu investieren, statt immer nur auf die Exportweltmeisterschaft zu starren.“ (S. 63).

 

„Kritik des Kapitalismus“

 

Keineswegs neu oder gar originell, nichts desto weniger aber bedenkenswert, formuliert Meinhard Miegel im selben Band, dass wir mit der bisherigen Art des Wirtschaftens über unsere Verhältnisse gelebt hätten. „Wir sollten uns als Gesellschaft, vielleicht sogar als Menschheit eingestehen: Wir haben uns übernommen.“ (Miegel, S. 52) Nach Peter Sloterdijk leben wir aber gar nicht im Kapitalismus, „sondern in einer Ordnung der Dinge, die man cum grano salis als einen massenmedial animierten, steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus auf eigentumswirtschaftlicher Grundlage definieren muss“ (S. 67). Die größte Gefahr für die Zukunft dieses Systems geht für ihn von der Staats-Schuldenpolitik aus, denn „die nehmende Hand greift nun sogar ins Leben der kommenden Generationen voraus – die Respektlosigkeit erfasst auch die natürlichen Lebensgrundlagen und die Folge der Generationen“ (S. 69).

 

Die Zukunft des Kapitalismus. Hrsg. v. Frank Schirrmacher ... Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2010. 200 S., € 12,- [D], 12,40 [A], sFr 20,40; ISBN 978-3-518-12603-5