Die Zukunft der Grünen

Ausgabe: 2001 | 2

In den ersten zwei Jahren in der Koalition mit der SPD haben die Grünen eine schlechte Figur gemacht, so das ernüchternde Urteil des Parteiforschers und Autors des Standardwerks „Die Grünen“ (Campus, 1985) Joachim Raschke, der wie kein anderer die Partei seit ihrer Gründung kritisch begleitet hat. Er geht sogar noch weiter und meint, dass die Grünen in der Bevölkerung das „Vorurteil“ bestätigt haben, dass sie nicht regierungsfähig seien. Gleichzeitig hat die Partei in dieser Zeit viele ihrer Mitglieder, Aktiven und Wähler enttäuscht. Im vorliegenden Band geht es deshalb neben einer Aufarbeitung der Gründe für die Regierungsschwäche v. a. um Zukunft der Partei, die sich spätestens nach den nächsten Bundestagswahlen 2002 klarer darstellen wird.

Der Autor analysiert, stellt Fragen und wirft einen Blick hinter die Kulissen. Er sucht nach Erklärungsfaktoren der gegenwärtigen Misere und sieht die Hauptursachen sowohl im Führungs- als auch im Parteiversagen. Parteien sind nach Ansicht Raschkes nur dann erfolgreich, wenn sie „strategiefähig“ sind. Gerade das aber ist für einen fragmentierten politischen Akteur wie den Grünen ein Handicap, zumal Strategiefähigkeit in der Opposition auf- und in der Regierung abgebaut wurde. Diese Defizite zeigten sich nach Ansicht des Autors auch bei der Zuordnung von Personen zu Ministerien. „Mit Joschka Fischer sitzt der richtige Mann im falschen, mit Jürgen Trittin der falsche Mann im richtigen Ministerium.“ (S. 98)

Probleme grünen Regierens sind aber auch unter den Gesichtspunkten von Durchsetzungs- und Kommunikationsproblemen zu betrachten. Zum einen sei der Wechsel von der Opposition zur Regierungspartei noch nicht vollzogen, zum anderen fehle es am Verständnis dafür, dass Führung notwendig ist. V. a. aber gebe es ein Identitätsproblem, also „die Unfähigkeit, Zukunft zu entwerfen“.

Damit sind wir bei den inhaltlichen Defiziten: Die Grünen, so Raschke, haben starke Reformversprechen ohne Reformmehrheit und ohne Reformkanzler abgegeben und sind „aus dem Zentrum, das die Regierung steuert, ausgeschlossen“ (S. 131). Die kritischen Themen sind Mobilität, Ausländer, Naturschutzpolitik, Ökosteuer, erneuerbare Energien und nicht zuletzt der Atomausstieg. Hier ist eine der Hauptschwächen mit Händen zu greifen, nämlich „die Unfähigkeit zu intelligenter Erwartungssteuerung“.

Der Autor hält die Grünen daher bei den nächsten Bundestagswahlen für sehr gefährdet. Vielleicht aber ist die Regierungsbeteiligung nicht Auslöser des Niedergangs, sondern auch (die letzte?) Chance für die Partei, die Raschke in Form von „Szenarien grüner Entwicklung“ auslotet. Angenommen, die Grünen installieren ein strategisches Zentrum (das sagt, worauf es beim Regieren ankommt), Joschka Fischer wird auf „Normalmaß“   ein guter Ressortminister und Wahlkämpfer – getrimmt, und im Verhältnis zur SPD gelingt ein selbstbewusstes und zugleich , kooperatives und konfliktbereites Mitregieren, dann sei der Partei durchaus eine Zukunftschance einzuräumen. Durchsetzungsfähigkeit in der Koalition und professionelle Kommunikation gelten als Voraussetzung dafür, wieder Jungwähler zu gewinnen und sich als Träger öko-libertärer und liberaler ebenso wie sozialer Erwartungen zu etablieren. Aufgrund bisheriger Erfahrungen hält Raschke diese Option aber eher für unwahrscheinlich. Genaueres werden wir im nächsten Jahr wissen. A. A.

Raschke, Joachim: Die Zukunft der Grünen. „So kann man nicht regieren“. Mit e. Beitrag v. Achim Hurrelmann. Frankfurt/M. (u. a.): Campus-Verl., 2001. 470 S., DM 49,80 / sFr 45,50 / öS 364,-