Die Zukunft der Arbeit

Ausgabe: 2011 | 2

212 Millionen Menschen auf der Welt waren nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation im Jahr 2009 arbeitslos, fast 34 Millionen mehr als im Jahr 2007 vor dem Ausbruch der Krise und mehr als je zuvor (ILO 2010). Am härtesten hat die Weltwirtschaftskrise die Jugendlichen getroffen, so die ILO. Die Erwerbslosenquote junger Leute zwischen 15 und 24 Jahren ist so hoch wie nie, besonders betroffen vom Anstieg ist Europa. (FAZ 29. 1. 2011)  Trotz aktueller Frohbotschaften von einem sich erholenden Arbeitsmarkt kann ein tiefergehender Strukturwandel nicht geleugnet werden, der durch eine zunehmende Sättigung der Gütermärkte in allen spätindustriellen Ökonomien gekennzeichnet ist. Ein Trend, der neben Produktionsverlagerungen sowie weiteren Produktivitätssteigerungen den Abbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Sektor beschleunigen wird. Als Auswege werden diskutiert: weitere Ausweitung des Dienstleistungssektors sowie neue, flexible Arbeitszeitmodelle, die Zeitwohlstand in den Mittelpunkt rücken. Hans Holzinger analysiert aktuelle Studien dazu.

 

Neue Zeitpioniere?

 

In „Die Zukunft der Arbeit“ prognostiziert der Wiener Zukunftsforscher Peter Zellmann nicht nur die massive Ausweitung der „Hight Touch“-Economy, sondern auch eine ökonomische Aufwertung aller Sozialberufe – aus dem einfachen Grund, weil diese Arbeiten in Zukunft in höherem Maß anfallen werden. Freilich würde es zu einer weiteren Spaltung des Arbeitsmarktes kommen: Niedrigqualifizierte zählen zu den Verlierern, Hochqualifizierte werden von den Unternehmen umworben. Mit zusätzlichen Benefits wie attraktiven Firmenstandorten, Weiterbildungsmöglichkeiten, aber auch flexiblen Arbeitszeiten sollen Fachkräfte an den Betrieb gebunden werden. Neue Zeitmodelle nennt Zellmann als weiteren zentralen Zukunftstrend: „Im gleichen Maße, wie die Grenzen zwischen Vollzeit und Teilzeit fließender werden, müssen die Wahlmöglichkeiten zwischen Vollzeit und Teilzeit mit Rückkehrrechten zunehmen.“ (S. 225)

 

Zellmann spricht von Zeitpionieren als Leitbild „einer neuen Leistungsgesellschaft, weil für sie Zeitwohlstand genauso wichtig wie materieller Wohlstand ist“ (S. 198). Dass Teilzeitarbeit in vielen Ländern aber weiterhin mit Nachteilen verbunden ist, bestätigt der Zukunftsforscher ebenso: „In Wirklichkeit haben Teilzeitjobber immer noch unter der gesellschaftlichen Norm und dem öffentlichen Leitbild der Vollbeschäftigung zu leiden: Wer weniger arbeitet, kann auch weniger Karriere machen und steht mehr unter dem sozialen Druck eines permanenten Leistungsnachweises. Solange es keine Vorstände, Chefredakteure oder Chefärzte mit Teilzeit gibt, wird sich daran wenig ändern.“ (ebd. 198f.) Problematisiert wird auch die Arbeitsverdichtung durch Teilzeitstellen. Nach Erfahrungswerten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung führte im Verlauf der letzten 10 Jahre, so berichtet Zellmann, nur etwa jede siebente Umwandlung von Vollzeit in Teilzeit dazu, dass zusätzliche MitarbeiterInnen eingestellt wurden. Teilzeitjobs würden daher nüchtern als weitere Variante von Rationalisierung und Produktivitätssteigerung betrachtet (ebd.). Dennoch sind neue Zeitmodelle für Zellmann ein wichtiges Gestaltungsfeld in der Arbeitswelt von morgen. Fast zwei Drittel der Berufstätigen würden in Österreich Gefallen an einem Arbeitszeitmodell finden, das mehr Freizeit für etwas weniger Gehalt bietet.

 

Zellmann, Peter: Die Zukunft der Arbeit. Viele werden etwas anderes tun. Wien: Molden, 2010. 287 S., €19,90 [D], 19,95 [A], sFr 35,90

 

ISBN 978-3-85485-258-2