Die Visionäre. Eine kleine Geschichte der Zukunft

Ausgabe: 2009 | 1

Die Frage, wie wir in Zukunft leben, lieben und arbeiten wollen, hat im Laufe der Jahrhunderte viele Persönlichkeiten beschäftigt. In ihrer Zeit galten sie oft als Utopisten, Propheten, Scharlatane, Zauberer oder Lügner. Etwas weniger abwertend ist der in der jüngeren Geschichte verwendete Begriff „Futurologie“ (von Ossip K. Flechtheim). Gemeinsam war und ist ihnen die Beschäftigung mit Prognosen, Vorhersagen, Visionen und Projektionen. Die Journalistin und Autorin des vorliegenden Buches verwendet den Sammelbegriff „Vorhersage“ für das, was die „Zukunftsdenker“ meistens produzieren, nämlich die Zukunft nicht nur zu prognostizieren, sondern sie auch mitzugestalten. Dafür erkundet Horx-Strathern das Leben, die Arbeit und die Denkweise einiger wichtiger Zukunftsforscher, die seit dem Orakel von Delphi  „Vorhersagen“ tätigten und sich verschiedenster Methoden bedienten.

 

„Die Zukunftsforschung hat über die Jahrtausende nicht nur ein gewaltiges Spektrum an Persönlichkeiten und Professionen angezogen, sondern auch mit mannigfaltigen Methoden gearbeitet, vom Einsatz unter Drogen stehender Jungfrauen bis zum konventionelleren Einsatz von Computern und gesundem Menschenverstand.“ (S. 11)

 

In ihrem Rückblick auf die Protagonisten der Zunft unterscheidet die Autorin allerdings nicht zwischen Trend- und Zukunftsforschung. Sie lässt bekannte Größen auftreten wie etwa Jules Verne, H. C. Wells, George Orwell oder Aldous Huxley, deren Werke Weltbestseller waren. Die Ansicht von Robert Jungk, Ossip K. Flechtheim, Hermann Kahn oder Alvin Toffler erscheinen der Autorin eher opportunistisch im Dunstkreis des jeweiligen politischen Mainstreams und des damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolgs. Diese Einschätzung trifft aber wohl eher für die Beurteilung der gegenwärtigen Trendforschung zu und wohl kaum für die Vertreter einer Kritischen Zukunftsforschung. Robert Jungk beispielsweise hat sich stets gegen jedwede wirtschaftliche Vereinnahmung gestellt und zeigte dies auch konkret etwa durch die Beendigung seiner Mitwirkung als Kolumnist bei „bild der wissenschaft“. Auch die Aussage, das John Naisbitt und Matthias Horx ein neues, objektives Kapitel der Zukunftsforschung eröffnet hätten, ist diskussionswürdig. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Trend- und Zukunftsforschung, wobei letztere strengen wissenschaftlichen Kriterien (vgl. PZ 4/08*137) genügen muss. (Zur aktuellen Diskussion, an vorderster Front geführt von Holger Rust und Matthias Horx vgl. auch den Beitrag von Nikolas Jilch „Megatrend Matthias“ und entsprechende Reaktionen „Matthias Horx antwortet“ sowie Holger Rusts offener Brief als Antwort darauf „Gruß von unter der Palme“. Nachzulesen in „Datum. Seiten der Zeit“. 2/09 unter www.datum.at/...)

 

Insgesamt wirft Horx-Strathern einen gefälligen Blick auf die Denkweise und Ideen von Visionären der Vergangenheit, wenn auch mit einigen Verkürzungen bzw. Auslassungen. Besonders angetan hat es ihr John Naisbitt, der ihrer Ansicht nach nicht wie Alvin Toffler den Menschen in den 70er Jahren Angst machte, sondern sie einfach auf „Megatrends“ vorbereitete. Robert Jungks Bestseller „Die Zukunft hat schon begonnen“ wird dagegen als ein „grausam faszinierende(s) Tagebuch über seine umfassenden Recherchen als Journalist in Amerika“ und als Kultklassiker des Zukunftspessimismus angeprangert (vgl. S. 127). Hier ist Widerspruch am Platze: Robert Jungk war zeitlebens ein unermüdlicher Kämpfer und Optimist, wohl wissend um die Fähigkeit der Menschen, die Zukunft mitzugestalten. Abschließend gewährt uns die Autorin Einblick in das Leben ihres Ehemanns und „Zukunftsforschers“ Matthias Horx, der aber wohl eindeutig der Trendforschung zuzurechnen ist. A. A.

 

Horx-Strathern, Ooana: Die Visionäre. Eine kleine Geschichte der Zukunft - von Delphi bis heute. Wien: Amalthea Signum-Verl., 2008. 287 S.,€ 22,95,

 

ISBN 978-3-85436-402-3