Die Spirale des Terrors

Ausgabe: 2009 | 2

Detailreich schildert Gilles Kepel, Professor am Institute d´Etudes Politique in Paris und Autor zahlreicher Bücher zum Nahen Osten, den Aufstieg des Tschihad-Terrorismus und dessen politische und soziale Hintergründe. Deutlich wird, dass die aggressive Politik der USA gegen den Irak wesentlich zu seinem Gedeihen beigetragen hat, auch wenn monokausale Begründungen fehl am Platz sind. Der Autor beschreibt auch die Ambivalenz des Multikulturalismus, der etwa in Großbritannien verfolgt wurde, und das Problem vom doppelten Recht der Muslime, die zum einen der Scharia, zum anderen dem staatlichen Gesetz unterworfen sind.

 

Das neokonservative Programm der Bush-Adminstrationen ist für Kepel nicht weniger gescheitert als das „dschihadistische Projekt“ von Osama Bin Laden u. a. Die Herausforderung an eine neue Politik sieht der Arabist vor allem bei den Staaten Europas als „den unmittelbaren Nachbarn des Mittleren und Nahen Ostens und Nordafrikas, mit beiden zusammen bilden sie eine der großen Regionen der Welt von morgen neben den Großregionen Asien und Amerika“ (S. 316). Dazu kämen die vielen Muslime, die in Europa leben. Das Erscheinungsbild lasse sich nicht auf „die Mörder von Al-Qaida reduzieren und auch nicht auf die Muslimbrüder und ihre Weggefährten“ (S. 318), vielmehr stünden wir am Beginn einer erfolgreichen Vermischung, die sich in „gemischten Partnerschaften“ ebenso zeige wie im Aufstieg von Personen aus Zuwanderergruppen in verantwortliche Positionen von Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport.

 

Den besten Weg in die Zukunft sieht Kepel in wirtschaftlicher Kooperation. Die scheinbaren Schwäche Europas – es konnte beim Krieg gegen den Terror militärisch keinen Einfluss nehmen, seien in Wahrheit Stärken: „Nach dem Scheitern der militärischen Option, die gewaltsam eine Demokratisierung von oben bringen sollte“, bleibe als Alternative nur die wirtschaftliche Integration des Mittleren und Nahen Ostens in den Alten Kontinent mit dem Ziel, „dass sich im Süden und Osten des Mittelmeers Unternehmerschichten entwickeln, von denen dann die Demokratisierung ausgehen wird“ (S. 320). Die Türkei und ihre Integration in die EU sind für Kepel dafür ein positives Beispiel. In der Kooperation der Gesamtregion „von der Nordsee bis zum Golf“ sieht der Autor Vorteile für alle Beteiligten: das reiche Europa mit seinen industriellen und technologischen Strukturen, seinen Universitäten und Forschungsstätten, der Golf mit seinen Erdölvorkommen und seiner Finanzkraft, und Nordafrika und die Levante schließlich mit den zahlreichen potenziellen Arbeitskräften sollten sich verbinden. Die „Euro-Golf-Region“ könne so durch wirtschaftliche Entwicklung auch soziale und politische Stabilität erwirken, da ansonsten große Migrationsströme zu erwarten seien. „Sollte sich die Golfregion exklusiv Asien zuwenden und Europa dem Atlantik“, so das Negativszenario, „würde der Mittelraum isoliert, und das wäre mit erheblichen Gefahren verbunden.“ Für Europa und den Nahern Osten gäbe es daher keine andere Wahl, als durch eine Wiederbelebung des Mittelmeerraums Frieden und Wohlstand von der Levante bis zum Golf zu schaffen. H. H.

 

Kepel, Gilles: Die Spirale des Terrors. Der Weg des Islamismus vom 11. September bis in unsere Vorstädte. München: Piper, 2009. 360 S., € 22,95 [D], 23,60 [A], sFr 40,20

 

ISBN 978-3-492-05264-1