Die Machtlosigkeit der Männermacht

Ausgabe: 1995 | 4

Männer sind Gefangene ihrer alten Denk- und Handlungsmuster. Warren Farrell, selbst lange engagierter Kämpfer für die Gleichberechtigung der Frau (in der National Organization for Women in Amerika); will nun mithelfen, "daß viele Männer beim Lesen dieses Buches aufwachen und sich in Zukunft mit ähnlichem Schwung der Änderung ihrer Rolle widmen, wie dies bislang die Frauen taten". Jedenfalls, so meint er, ist die männliche und weibliche Geschlechterrolle heute und für die Gestaltung der Zukunft nicht mehr adäquat. 

Eindringlich und faktenreich, belegt durch viele statistische Daten, begründet Farrell die Verfügbarkeit der Männer als das "schweigende Geschlecht". Über fast 500 Seiten wird uns die Machtlosigkeit der Männermacht vor Augen geführt. Ohne auf Details und Zahlen einzugehen: der Befund ist - zumindest aus einer ernstzunehmenden Perspektive - in der Tat niederschmetternd. Neben Arbeitszwang, höheren Zahlungsverpflichtungen und Militärdienst wurde bei den Männern eine höhere Selbstmordrate, eine niedrigere Lebenserwartung sowie ein wesentlich schlechterer Gesundheitszustand ermittelt "Männer sind das geopferte Geschlecht, als Soldaten, Arbeiter, Väter", meint der "geschundene" Autor.

Der Rückgriff auf Bibel und Altertum ist im Sinne einer historischen Betrachtungsweise und zur Erhellung des "Mythos Mann" durchaus hilfreich. Die Lösung für die Zukunft sieht der Autor in der Sozialisation beider Geschlechter für beide Rollen. Im wesentlichen geht es dabei um die Auseinandersetzung der Männer mit ihrer Rolle als Retter und Schützer. Notwendige Veränderungen müßten jedenfalls die "Opfer" selbst in Schule, Erziehung und Familie einleiten. Männergruppen hält Farrell deshalb für wichtig, weil die Betroffenen "sonst nicht lernen können, ihre Ängste mit anderen Männern zu teilen". Darüber hinaus sei es notwendig, eine Verfassungsänderung im Sinne eines "Gesetzes für gleiches Recht auf Leben" vorzunehmen. Dies würde eine Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung der Geschlechter bedeuten. "Soll die Männerbewegung tatsächlich die Menschheitsentwicklung beeinflussen, muß sie gut zuhören lernen und darf nicht allein das Wort führen." Ob nun vom oft beschworenen starken, faulen oder gar, wie bei Farrell, vom schweigenden Geschlecht die Rede ist, Bewußtwerdung der Männerrolle und Dialog der Geschlechter ist überfällig.

A. A.

Farrell, Warren: Mythos Männermacht. Frankfurt/M.: Zweitausendeins, 1995. 499 S; sFr36,-/öS 281,-