Die Kunst, weniger zu arbeiten

Ausgabe: 2001 | 2

Arbeit in all ihren Facetten ist Dreh- und Angelpunkt unseres Denkens und nach wie vor Hauptthema der Politik. Das vorliegende Buch zeigt aber, dass es ein Leben jenseits der Arbeit gibt – Arbeit als Mittel zum Leben und nicht als Lebensmittelpunkt. Die Autoren, als Manager und Arzt inzwischen „Aussteiger“, wollen die LeserInnen anstiften, ihr Verhältnis zur Arbeit grundlegend zu überdenken. Auf einem Spaziergang durch die „lange Geschichte der Arbeit und die kurze Geschichte ihrer Verherrlichung“ (der sich die jeweiligen Eliten über Jahrtausende nach Möglichkeit fern hielten) zum neuzeitlichen „Beruf“, der scheinbar unersetzlichen Sinnmitte des gesellschaftlichen und individuellen Lebens, zeigen sie, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass beruflicher Erfolg und Erfolg im Leben so eng miteinander verknüpft sind.

Nach einem Blick hinter die Kulissen des „eigenen Arbeitsheldentums“ werden die Schattenseiten der Arbeit (von Stress bis Manie) ebenso angesprochen wie die beharrlichen Mythen der Arbeit (von Selbstverwirklichung bis Sicherheit). Braig/Renz kritisieren in der Folge verschiedene Modelle „lebensverlängernder Maßnahmen für die Arbeitsgesellschaft“. Geschätzte 100 Milliarden Mark werden jährlich dafür ausgegeben, „damit Leute irgendwie und irgendwas arbeiten“ (S. 144). Auch die Vorschläge des Club of Rome („Wie wir arbeiten werden“, 1998) zielen nach Ansicht der Autoren darauf ab, einen „Zwang zur Arbeit“ einzuführen. „Wir scheinen mehr Mühe und Intelligenz darauf zu verwenden, Arbeit zu schaffen, als darauf, uns ein weniger von Arbeit bestimmtes Leben zu ermöglichen.“ (S. 16f.)

Wie sieht aber nun ein Leben jenseits der Arbeit aus? Es beginnt mit der Frage, wie viel Arbeit wir eigentlich brauchen. Zwar räumen die Autoren ein, dass es immer noch ein Privileg ist, seine Träume zu verwirklichen, andererseits ist das aber nicht nur eine Frage nach der materiellen Bedürftigkeit. Es gilt auch, die Selbstverständlichkeiten in unserer Konsumgesellschaft zu hinterfragen, ob ein Maximum an Gütern auch ein Mehr an Lebensqualität bedeutet. Vielleicht liegt die Kunst aber auch darin, anders zu arbeiten, weniger gestresst, weniger fremdbestimmt, oder es genügt, wenn in der Arbeitswoche feste, arbeitsfreie Zeiten fix reserviert werden. Mit Blick auf die landwirtschaftliche Subventionspraxis (Flächenstillegungsprämien) halten es die Autoren unter den gegebenen Umständen (durch Arbeit wird immer mehr Überflüssiges, ja sogar Schädliches produziert) „für angemessener, allen, die bereit sind, ohne Arbeit auszukommen, eine Prämie zu zahlen“ (S. 175).

Wenn also alle nur so viel arbeiten würden, wie sie nötig haben, gäbe es trotzdem noch genug zu tun. Arbeit als Lebensersatz gehört aber dann der Vergangenheit an. Reinhard Klopfleisch sprach sogar von der „Pflicht zur Faulheit“ (1991) als Bedingung eines lebenswerten Lebens. Dieses hängt letztlich von unseren Wertvorstellungen und Prioritäten, aber nicht auch davon ab, ob wir uns den „Luxus“ des weniger Arbeitens auch leisten können. A. A.

Braig, Axel; Renz, Ulrich: Die Kunst, weniger zu arbeiten. Berlin: Argon-Verl., 2001. 219 S., DM 34,- / sFr 31,50 / öS 248,-