Wolfgang Kessler

Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern

Ausgabe: 2019 | 4
Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern

Für den Wirtschaftspublizisten Wolfgang Kessler ist klar: „Dieser Kapitalismus muss grundlegend verändert werden. Aber: das ist leichter gesagt als getan“ (S. 11). Auch KritikerInnen müssten zugeben, dass es einfach umsetzbare Alternativen nicht gibt: „Wer den Kapitalismus verändern will, operiert am offenen Herzen eines Systems, in das Millionen, ja sogar Milliarden Menschen als Unternehmer, Beschäftigte, Sparer, Eigentümer, Mieter, Erwerbslose oder Verbraucher eingebunden sind.“ (ebd.) Wer an den falschen Stellschrauben dreht, könne eine tiefe Krise auslösen: „Mit Folgen, die eher den Faschismus fördern als Demokratie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ (ebd.), so Kessler in seiner Begründung, warum er für eine Zähmung, nicht aber für die Abschaffung des Kapitalismus eintritt.

Kessler lässt in seiner aktuellen „Streitschrift“ zwar die Erfolge unseres Wirtschaftssystems nicht außen vor, aber er beschreibt einmal mehr die destruktiven Seiten des sich globalisierenden Kapitalismus – von der Zunahme des Konkurrenzdenkens über die Dominanz von Megakonzernen und Großinvestoren, die immer stärker auch in den Bereich öffentlicher Dienstleitungen drängen, bis hin zur Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen.

Fünf konkrete Reformmaßnahmen

Der Wandel zu einem fairen Wirtschaftssystem sei nicht einfach, da viele BürgerInnen Angst hätten, ihren Konsum einschränken zu müssen und das Neue wenig greifbar sei. Doch ein Weiter-Machen wie bisher sei nicht möglich. Kessler skizziert fünf konkrete Reformmaßnahmen, die den Kapitalismus in andere Bahnen lenken: eine Steuerreform gekoppelt mit einem „sozial gerechten Grundeinkommen“, das Menschen mit geringem Einkommen unterstützt; die Sicherstellung öffentlicher Güter wie Bildung, Gesundheit oder Betreuung im Alter („Befreiung vom Diktat der Rendite“); eine Umweltdividende für alle; freien Welthandel nur für öko-faire Waren sowie schließlich die Überwindung von Hunger und Armut durch neue Wege in der Entwicklungszusammenarbeit. Notwendig sei aber auch eine neue Ethik, die Wirtschaften dem Gemeinwohl verpflichtet.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass es Dinge beim Namen nennt, Zusammenhänge verständlich darlegt und dass der Autor konkrete Alternativen vorschlägt, die politisch durchaus anschlussfähig sein könnten. Sei es die aufkommensneutrale Ökosteuer, die diskutierte Transaktionsteuer, die Unterbindung von Bodenspekulation sowie die Regulierung der Finanzmärkte. Auch Ideen wie ein „Deutschlandfonds“, der eine breite Beteiligung von BürgerInnen an Unternehmen ermöglichen sollte, oder ein vereinfachtes Einkommenssteuermodell, das alle Arten von Einkommen gleichmäßig erfasst und mit einem Grundeinkommen für jene unter dem Einkommensminimum gekoppelt ist („negative Einkommenssteuer“), wären durchaus umsetzbar. Die größten Hürden liegen wohl in den internationalen Vorschlägen – einem fairen Welthandel und einer Entwicklungszusammenarbeit, die ein universelles Grundeinkommen vorsieht. Ökonomische Anreize so zu setzen, dass erwünschtes Verhalten begünstigt und unerwünschtes bestraft wird, zieht sich als Ansatz durch das gesamte Buch. Dies hat den Vorteil, dass wir nicht Menschen verändern müssen, sondern die Strukturen, in denen wir leben.