Die Demontage eines Wohlfahrtsstaates: Neuseeland

Ausgabe: 1999 | 3

Mitte der 80er Jahre startete eine Labour-Regierung den radikalen Umbau des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systems Neuseelands. Mit atemberaubender Geschwindigkeit und Konsequenz, die nur im Idealtyp einer „Westminster-Demokratie“ möglich sind, wurde die Wirtschaft dereguliert, das Sozialsystem reduziert („only for the poor“), Staatsbetriebe (z.B. die Eisenbahn) privatisiert und die öffentliche Verwaltung modernisiert (Schlagwort: outputorientierte Kundenorientierung).

15 Jahre danach muß gefragt werden, ob dieser radikale Kurs, der sowohl von der Labour Party (1984-1990) als auch der konservativen National Party (seit 1990) gefahren wurde, die angestrebten Ziele, nämlich Wirtschaftswachstum, Schaffung neuer Arbeitsplätze usw. erreicht hat. Schließlich geht es ja aus unserer Perspektive darum, ob es tatsächlich ein „economic miracle“ in Neuseeland gegeben hat bzw. gibt und damit ein Modell auf der gegenüberliegenden Seite des Globus vorhanden wäre, das Impulse für hierzulande notwendige Wirtschafts- und Sozialreformen liefern könnte.

Die Antwort der Autoren ist eindeutig und negativ, sprich: Nein! – Der Abbau des Wohlfahrtsstaates hat seine Ziele nicht erreicht, im Gegenteil: das Unbehagen der Bevölkerung über die von der Regierung zur Schau getragene „elective dictatorship“, also das rigorose Durchpeitschen von Reformen in rasantem Tempo aufgrund klarer Mehrheiten, führte sogar zu einer Änderung des Wahlrechtes, das mittlerweile dem bundesdeutschen ähnlicher ist als dem britischen.

Fellmeth und Rohde gelingt es, mithilfe klarer soziologischer und politikwissenschaftlicher Theorienbildung nicht im journalistisch-oberflächlichen Aufzählen von Daten und Fakten stehenzubleiben, sondern das „Modell Neuseeland“ akribisch zu durchleuchten und zu entlarven. Es ist letztlich ein autoritärer Politikstil, der neoliberale Maßnahmen gesetzt hat – und dies mit dem Argument, das Land auf diese Weise aus der Finanzkrise der frühen 80er Jahre zu führen. Da das jedoch Wirtschaftswachstum ausblieb, ja die Wirtschaft sogar schrumpfte und 1996 nicht einmal mehr den OECD-Durchschnitt erreichte, da sich seit Beginn der Reformen die soziale Ungleichheit in Neuseeland drastisch verschärfte, die Arbeitsplatzsicherheit sich in allen Branchen deutlich verschlechtert hat und die Arbeitslosigkeit insgesamt anstieg, muß einerseits das Reformprojekt als gescheitert betrachtet werden, und andererseits jene, die im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren aufgrund halbfertiger Recherche das „Wunderland Neuseeland“ propagierten, wohl zur Kenntnis nehmen, daß der Kurs des Neoliberalismus zwar Reichtum für wenige bringt, keineswegs bessere Arbeitsbedingungen für viele oder gar Wohlstand für alle bringt.

P. A.

Fellmeth, Sebastian; Rohde, Christian: Der Abbau eines Wohlfahrtsstaates. Neuseeland als Modell für das nächste Jahrhundert? Marburg: Metropolis, 1999. 186 S., DM 39,80 / sFr 37,- / öS 291,-