Das Kuchler Brennhoflehen und das Salzburger Klima

Ausgabe: 1995 | 4

Hinter dem im Bundesland Salzburg längst zu einem Reizwort avancierten Begriff “Brennhoflehen" verbirgt sich ein seit Jahrhunderten als Bauernland genutztes Areal in der Marktgemeinde Kuchl, dessen geplante Umwidmung in Gewerbegebiet Ende der achtziger Jahre den Widerstand betroffener Bürgerinnen und Bürger hervorrief. Der Salzburger Journalist Wolfgang Wörter diskutiert in seiner politikwissenschaftlichen Diplomarbeit diesen Konflikt vor einem breiten theoretischen Hintergrund: eine demokratietheoretische Verortung des Phänomens "Bürgerbewegung" und eine Typologie direktdemokratischer Einflußnahmen werden in dieser Arbeit genauso behandelt wie das vielzitierte "Salzburger Klima", jene lange von dissonanten Tönen verschonte Atmosphäre von Proporz und Elitenkonsens, die mittlerweile freilich von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt wird.

Im Zentrum der Untersuchung Wörters steht die "Überparteiliche Bürgerinitiative zur Erhaltung des Brennhoflehen als Grünland" (ÜBB), die auf der Basis von Interviews mit ausgewählten ProponentInnen analysiert und mit verschiedenen Fragestellungen konfrontiert wird. Diese methodische Vorgangsweise erlaubt es, jenseits der auf Aktualität und Sensation abzielenden Medienberichterstattung Einblicke in die innere Struktur der Bürgerinitiative und die subjektive Motivation ihrer Mitglieder zu gewinnen. Die Politisierung der Aktivistinnen bis hin zur (erfolgreichen) Kandidatur bei Gemeindewahlen, die Rolle von Frauen innerhalb der Initiative, aber auch die negativen Konsequenzen für die Beteiligten im Dorfleben können durch ausführliche Zitate aus den großteils anonymisierten Befragungen dokumentiert werden. Wie bei jeder anspruchsvollen Fallstudie werden anhand der Beschreibung des EinzeIphänomens gesamtgesellschaftliche Trends und Entwicklungen offengelegt: der klassische Konflikt Arbeitsplätze versus Naturschutz, Protestverhalten gegen die etablierte Politik und die Überwindung obrigkeitsstaatlicher Verhaltensmuster durch die Einforderung von Mitsprache der Bürgerinnen sind hier zu nennen. Die gut lesbare, teils im Stil einer journalistischen Reportage verfaßte Studie schließt mit einem Plädoyer für eine “partizipativere " Gesellschaft, das für eine Forcierung demokratischer Mitbestimmung Partei ergreift, ohne einer undifferenzierten Glorifizierung des Plebiszitären zu verfallen.

G. S.

Wörter; Wolfgang: Von der depolitisierten zur partizipativen Gemeindedemokratie. Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerinitiativen dargestellt am Beispiel der Personengruppe gegen eine Verbauung des “Brennhoflehen " in der Salzburger Marktgemeinde Kuchl. Diplomarbeit: Univ Salzburg, 1995. 272 S.

(Zu bestellen über: Wissenschafts Agentur Salzburg, Mühlbacherhofweg 6, A-5020 Salzburg, Tel.: 430662/8044-640 zum Preis von ÖS 530,- inkl. Versand)