Das Faktor 10-Konzept. Der ökonomische Charme der Ökologie

Ausgabe: 1999 | 4

“Aus jedem in der Natur abgeholten Material, ob Holz, Sand, Eisen, Wasser oder Öl, müssen so viele Dienstleistungen wie möglich und für einen möglichst langen Zeitraum erzeugt werden.” (S. 183) Diese Grundregel des Ökodesigns steht im Zentrum des von Friedrich Schmidt-Bleek entwickelten Faktor 10-Konzepts, welches die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs auf ein Zehntel der gegenwärtigen Werte postuliert. “Wo immer möglich, sollten die Materialien mit dem geringsten Ökologischen Rucksack gewählt werden” und “Von der Wiege bis zur Bahre sollte sowenig Energie wie nötig eingesetzt werden” - so die Regeln zwei und drei.

Gemeinsam mit Fritz Lehner, Präsident des Instituts für Arbeit und Technik im Wissenschaftszentrum NRW, begründet der Ökologe in diesem Band, warum die Faktor-10-Strategie nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch ökonomisch äußerst erfolgreich sein wird. Anhand vieler Beispiele belegen die Autoren, wie der Übergang von der “Durchsatzwirtschaft” der Massenproduktion zur “wissensbasierten Maßwirtschaft” gelingen könnte, wobei Maßwirtschaft sowohl das “Maß halten” hinsichtlich der Natur wie den Wandel hin zu den Kundenwünschen gerecht werdenden, “maßgeschneiderten Produkten und Dienstleistungen” meint. Das “Know how” (Software, Entwicklung, Wartung usw.) sowie das “Know who” , also das Wissen, wer einen Kundenwunsch am besten erfüllen kann, würden die Materialschlachten des Fordismus ablösen, neue Werkstoffe wie kohlefaserverstärkte Polymere, der Übergang vom Besitzen zum Nutzen oder die Verlängerung der Produktdauer dabei die neuen Strategien darstellen.

Überzeugend legen die Autoren dar, daß nicht die Knappheit der Ressourcen, sondern die enormen Eingriffe des Menschen in das komplexe Ökosystem - für einen Autokatalysator etwa werden 2,5 Tonnen Material bewegt - das Hauptproblem darstellt. Die Degradation der Böden, der Verlust der Artenvielfalt sowie der Klimawandel seien Folgen dieser der Materialintensität. Denn wer den Blick auf die Eingangseite der Wirtschaft richte, der “spart offensichtlich auch an dem, was hinten aus der Wirtschaft als Abfall und Emissionen herauskommt.” (S. 182) Der Umstieg auf erneuerbare Ressourcen allein, d.h. das Leben von den “Zinsen” bringe daher noch keine Nachhaltigkeit.

Änderungshemmnisse sehen die Autoren vor allem im zu geringen Innovationsklima, vor allem was die Entwicklung von Leitmärkten anbelangt (Reifung von Innovationen zur Marktfähigkeit), im häufig anzutreffenden Kurzfristdenken der Unternehmen (das Kapital als “autistische Größe”, dem es nur um die Rendite geht, S. 118) sowie in falschen Preisanreizen. Neben dem MIPS, welche die Materialintensität pro Serviceeinheit mißt, schlagen Lehner und Schmidt-Bleek daher auch COPS vor, ein Maß, das die Kosten pro Serviceeinheit angibt: Etwas höhere Anschaffungskosten eines Qualitätsproduktes würden sich aufgrund der längeren Lebensdauer nach COPS dennoch rechnen.

Das Konzept der Autoren ist überzeugend, und viele der angedachten Innovationen werden wohl auch Fuß fassen. Und zwar um so schneller, je mehr es gelingt, die ökologischen Kosten in die Preise zu internalisieren. Daß unser Konsumverhalten jedoch nur bedingt vernunftgeleitet ist, wird bei MIPS und COPS jedoch unterschlagen. Die Effizienzstrategie muß daher einhergehen mit  dem Angebot neuer, attraktiver Lebensentwürfe jenseits des herrschenden Konsumismus.


H. H.

Lehner, Franz; Schmidt-Bleek, Friedrich: Die Wachstumsmaschine. Der ökonomische Charme der Ökologie. Mitarb.: Rainer Klüting. München: Droemer, 1999. 349 S.; DM 44,90 / ATS 328,- / sFr 41,50