Das Ende der Finanzmärkte – und deren Zukunft

Ausgabe: 2008 | 4

Der Autor des vorliegenden Bandes wurde 2006 für schuldig befunden, 1988 illegal Anteile an der Großbank Société Générale (SG) erworben zu haben, nachdem er von den Übernahmeplänen eines französischen Investors erfahren hatte. Konkret hatte Soros im September und Oktober 1988 ein rund 50 Millionen Dollar schweres Aktienpaket erworben, zu dem auch SG-Anteilsscheine zählten. Später verkaufte er das Paket wieder und machte einen Gewinn von umgerechnet 2,2 Millionen Dollar. Dies hatten die Richter zum Maßstab für die Höhe der Strafe genommen. (vgl. dazu www.manager-magazin.de vom 14.6.2006) Inzwischen ist der Meisterspekulant zum Bestsellerautor und Warner vor dem aus den Fugen geratenen internationalen Finanzsystem avanciert. In seinem aktuellen Buch versucht Soros erneut, wie schon 1988 in „Die Alchemie der Finanzen“, seine Theorie der Reflexivität zu verteidigen. Diese besagt, dass die Sicht der Marktteilnehmer und –regulatoren nie dem tatsächlichen Stand der Dinge entspricht, d. h. Märkte erreichen nie jenes Gleichgewicht, welches die ökonomische Theorie postuliert. Die Annahme, Finanzmärkte seien selbstkorrigierend und tendierten zum Gleichgewicht, ist schlichtweg falsch, so Soros. „Es gibt eine reflexive Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung und Realität, die erst sich selbst verstärkende, aber letztlich sich selbst aufhebende Boom-Bust-Prozesse (Blasen, die platzen müssen) auslösen kann.“ (S. 9) Auch Vorhersagen sind seiner Ansicht nach nicht zu treffen, weil es Wechselwirkungen zwischen kognitiven und manipulativen Elementen gibt, die Transaktionen beeinflussen und für Unsicherheit sorgen. Nicht nur Fakten sondern auch individuelle Wahrnehmungen spielen demnach auf dem Finanzmarkt eine wichtige Rolle. Der vom Autor eingeführte Begriff der Reflexivität beschreibt diese Wechselwirkung zwischen den Fakten und der Wahrnehmung der Marktteilnehmer. Nachdem das bisherige Markt-Paradigma, die Gleichgewichtstheorie, auch für Soros gescheitert ist, könnte und sollte als neues Paradigma die Reflexivität anerkannt werden. Wer sich dahinter allerdings eine Theorie erwartet, die wissenschaftlichen Kriterien genügt, der muss enttäuscht werden. Zunächst outet sich Soros in einer kleinen Autobiografie (Kapitel 2) als „gescheiterter Philosoph“. Interessanter sind die folgenden Abschnitte, beispielsweise die „Autobiografie eines erfolgreichen Spekulanten“ (Kapitel 6) oder die aktuelle Krise mit Ausführungen über das Wachstum der Hypothekenverschuldung in den USAvon 1995 – 2007. Sein „Ausblick für das Jahr 2008“ (Kapitel 7) beschreibt zunächst die Ereignisse bis März d. J. und endet mit der kaum überraschenden Feststellung, dass die US-Regierung das Geld der Steuerzahler dafür verwenden (wird) müssen, „um den Rückgang der Eigenheimpreise zu stoppen“ (S. 150). Soros warnt die Bush-Regierung vor dem Glauben, „dass der Immobilienmarkt selbst seinen Boden findet“ (ebd.). Verantwortung der Politik

Spannend wird es schließlich, wenn der Autor „einige Empfehlungen an die politisch Verantwortlichen“ abgibt, auch wenn dabei vor allem die USAbzw. die bei Erscheinen des Buches noch amtierende Bush-Regierung angesprochen wird. „Die Zukunft hängt“, so der Star-Spekulant, „von den Antworten ab, die die Finanzkrise der Politik abringen wird“ (S. 161). Soros sieht „eine Periode politischer und finanzieller Instabilität voraus, die hoffentlich von einer neuen Weltordnung abgelöst werden wird“. (S. 162f.) Er rechnet jedoch mit einem Ende der Krise innerhalb eines Jahres. Bemerkenswert ist die Forderung des Insiders an die Währungsbehörden, sich nicht nur mit der Lohninflation zu befassen, sondern auch mit der Vermeidung von Spekulationsblasen (vgl. S. 153). Eine Maßnahme, die Kreditkrise zu entschärfen, wäre seiner Ansicht nach „die Einrichtung einer Clearing-Stelle oder Börse für Credit Default Swaps“ (S. 154). „Geballte Zwangsvollstreckungen destabilisieren letztlich ganze Wohngegenden und haben auch Auswirkungen auf andere Bereiche, wie die Be-schäftigungssituation, das Bildungs- und das Gesundheitswesen sowie das Wohlergehen von Kindern.“ (S. 156) Der Behauptung von Soros, die gegenwärtige Krise sei die gravierendenste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, widersprachen viele Notenbankchefs und Politiker. Nun wissen wir es: Das Buch erschien Ende August 2008 und die Aussagen Soros wurden mittlerweile von der Realität weit übertroffen. Zusammenfassendes Resümee: Wer die Ursachen der US-Kreditkrise und Informationen über die gravierenden Fehler der Banker aus erster Hand bekommen will, ist mit diesem Beitrag des „Megaspekulanten“ (Klappentext) gut beraten.

 

Soros, George: Das Ende der Finanzmärkte – und deren Zukunft. Die heutige Finanzkrise und was sie bedeutet. München: FinanzBuch-Verl., 2008. 174 S., € 24,90 [D], 25,70 [A], sFr 42,30 ISBN 978-3-89879-413-8