Christina Beninghaus, Gisela Wachender, Ortwin Renn

Bürgerbeteiligung. Konzepte und Lösungswege für die Praxis

Ausgabe: 2017 | 3
Bürgerbeteiligung. Konzepte und Lösungswege für die Praxis

Was benötigt ein gelungener Beteiligungsprozess, was sind die Erwartungen der Bürger und Bürgerinnen an die Politik und welche Herausforderungen erwarten uns? Christina Benighaus, Gisela Wachinger und Ortwin Renn versuchen diese brennenden Fragen, aufbauend auf wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen, zu beantworten. Das ist ihnen durchaus gelungen. Dieses Buch verbindet Theorie und Praxis und bietet praktische Anleitung und konzeptionelle Hilfestellungen für alle, die Partizipationsprozesse initiieren, konzipieren und gestalten wollen. Neben einer theoretischen Einführung zu den unterschiedlichen Formen, Anwendungsbereichen, Verfahren, Methoden und deren Einsatzbereiche finden sich insgesamt 22 Praxisbeispiele. Das Werk schließt mit der Einführung in die verschiedenen Möglichkeiten der Evaluation von Partizipationsformaten und den aus den evaluierten Fallstudien gezogenen Lehren.

Das Buch deckt vieles ab, was man über eine faire und fundierte BürgerInnenbeteiligung wissen sollte. Es liefert eine Definition von Beteiligung als Bereicherung des Planungsprozesses, wo „Personen außerhalb der politischen Mandatsträger oder der ihnen zugeordneten Behörden und Institutionen an der kollektiv wirksamen Willens- und Entscheidungsfindung aktiv mitwirken.“ (S. 33) Es geht der Frage nach, warum mehr BürgerInnenbeteiligung benötigt wird und wo die Defizite in der heutigen politischen Partizipationspraxis zu finden sind. Gerade „Stuttgart 21“ hat einiges gelehrt, auch zum Thema Akzeptanz für Großprojekte. Akzeptanz kann demnach in drei Stufen eingeteilt werden: Toleranz von Planungsvorhaben, einer positiven Einstellung zum Planungsgegenstand und schließlich das aktive Eintreten für Planungsvorhaben. Doch „Stuttgart 21“ und andere Protestbewegungen zeigen uns vor allem eines: die repräsentative Demokratie stößt zusehends an ihre Grenzen. Die Proteste richten sich, so die Erfahrung, gegen die Erwartung, den gemeinschaftlichen Nutzen über die persönlichen Annehmlichkeiten zu stellen und die Kritik an der Intransparenz und Undurchsichtigkeit der jeweiligen Planungsverfahren. Die AutorInnen blicken auf die Rolle der BürgerInnen und der Verantwortlichen der Politik, deren Erwartungen und die unterschiedliche Realität von formellen und informellen Verfahren. Was sind die Spielregeln und die Voraussetzungen für gelungene Beteiligung und wie kann ein inklusives Beteiligungsverfahren konzipiert und umgesetzt werden? Jedes Anliegen und jede Zielgruppe bedürfen unterschiedlicher Formate und Designs. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele und Vorschläge, strukturiert aufbereitet nach Funktionen und Zielen. Gerade der Vorbereitung, dem Design und der Auswahl der Methoden sollte viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, da verschiedene Aspekte in ein Verfahren einfließen, die in der Planungs- und Konzeptionsphase zu berücksichtigen sind. Jedes Vorhaben und jeder Prozess hat individuelle Zielgruppen und AkteurInnen, die unterschiedliche und individuelle Interessen verfolgen. Als Planungsmethode wird daher eine Ziel- und Kontextanalyse und darauf aufbauend die Festlegung des Verfahrensdesigns empfohlen. Dazu bietet das Buch überzeugende Beispiele und Anregungen für eine gelingende Prozessgestaltung.

Nachdem im ersten Teil des Buches die theoretischen Grundlagen von BürgerInnenbeteiligung thematisiert werden, widmet sich der zweite Teil den Fallbeispielen. Diese werden unterteilt in Vermittlungs- und Wissensdiskurse, Reflexions-, Gestaltungs-, Handlungsdiskurse und Konfliktlösungsdiskurse. Die insgesamt 22 Beispiele reichen von einem Bürgerforum zur Planung eines Wohnheims für Flüchtlinge, dem Energiekonzept Ludwigsburg, bis zu zwei Partizipationsprojekten mit Kindern und Jugendlichen in Georgien in Zusammenarbeit mit GTZ - Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Zu jedem Fallbeispiel findet man Informationen zu den Hintergründen, dem Ablauf, den verwendeten Methoden (von Fokusgruppen, Open Space bis Zukunftswerkstatt) und den Ergebnissen des jeweiligen Prozesses.

Unter dem Motto „Was hat sich bewährt?“ (S. 299) widmet sich der dritte Teil der Evaluation von Formaten und Verfahren, deren Zielen, Funktionen und Wirkung sowie den geeigneten empirischen Methoden. Das vierte und letzte Kapitel zieht Bilanz und formuliert Empfehlungen für die Praxis. Zum Abschluss bieten die AutorInnen einen praxisorientierten Leitfaden für die Vorbereitung von Partizipationsverfahren und ein Fazit, das davor warnt, inszenierte und nicht ernstgemeinte Beteiligungsverfahren zuzulassen: „Genau das wollen wir nicht. Das bedeutet, lieber keine Beteiligung, als eine, die nur inszeniert ist. Verpflichtung zur Rückkoppelung und zur ernsthaften Prüfung aller Ergebnisse des Verfahrens gehört zu den zentralen Bedingungen für das Gelingen von Bürgerbeteiligung.“ (S. 345)

Allen, die sich mit Partizipation beschäftigen, ist dieses Buch ans Herz zu legen. Den AutorInnen ist hier ein großartiger und fundierter Wegweiser gelungen.