Bildung für nachhaltige Entwicklung

Ausgabe: 2013 | 3

Sich der Vielfalt schon realisierter oder auch geplanter Anliegen im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Form einer neuen Publikationsreihe zu widmen ist heute ein ambitioniertes Unterfangen. [In Zeiten, in denen renommierte Reihen wie etwa das ausgezeichnete und nachdrücklich zu empfehlende „Jahrbuch Ökologie“ nur mit Mühe jene Aufmerksamkeit finden, die den publizistischen Fortbestand sichert, gilt es umso mehr.]

So unterschiedlich die Anliegen in dem hier erstmals vorgelegten Jahrbuch des Österreichischen  Forum Umweltbildung auch sind: sie alle zeigen, dass BNE zu einem wichtigen Ansatz neuen Lernens jenseits herkömmlicher „Trichterpädagogik“ geworden ist, das auf vielfältige Weise Generationen und Kulturen miteinander verbindet.

Im einleitenden Themenblock „BNE & Rio+20“ gibt zunächst Gerd Michelsen Einblick in die Vielfalt der Zugänge zum Thema, das zwar noch lange nicht im „Mainstream“ angekommen, aber doch auch kein „Nischenprodukt“ mehr ist. BNE werde heute weitgehend „als ein innovatives Konzept verstanden, mit dem Lehren und Lernen in den unterschiedlichen Bildungsbereichen eine neue Bedeutung bekommen haben. Sie (…) steht nicht mehr als ‚Anhängsel‘, sondern ist ein Ansatz, der die Möglichkeit bietet, Bildung generell neu zu denken“ (S. 11). Neben dem Hinweis auf einschlägige Aktivitäten im deutschsprachigen Raum verdienen wohl auch die Initiativen in anderen Weltregionen Beachtung. In China beispielsweise wurden im Rahmen der nationalen Bildungsreform (2010-2020) bereits 1000 Experimentierschulen für BNE initiiert, in Indien die Kampagne „CO2 Pick Right“ an nicht weniger als 70.000 Schulen gestartet, und auf Initiative der United Nations University weltweit über 100 „Regional Centers for Expertise“ etabliert, die sich mit BNE auf regionaler Ebene befassen (S. 13). Vorrangig, so Michelsen, sei, die Initiativen auch nach 2014, dem Ende der „UN-Weltdekade“ weiterzuführen und auszubauen. Diese Forderung wird u. a. auch von den österreichischen Mitwirkenden an der „Rio+20-Konferenz“ aufgegriffen, die über ihre Eindrücke berichten und davon überzeugt sind, dass es wichtig sei, „selbst kleine Schritte zu setzen“.

Im folgenden Abschnitt „BNE-Impulse“ erläutert Ute Stoltenberg das Konzept der „Bildungslandschaften für nachhaltige Entwicklung“. Diese sollten zugleich „Lern- und Gestaltungsorte“ sein, „an denen die Aushandlungsprozesse über das, was konkret vor Ort im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verstanden und realisiert werden kann, stattfinden“ (S. 33). Anna Streissler und Regina Steiner berichten über den Stand eines Forschungsprojekts zur Entwicklung von Indikatoren zu NE, an dem Deutschland, Österreich und die Schweiz gemeinsam arbeiten. Es seien zwar noch manche Fragen offen, ein wichtiger Prozess des Austauschs aber erfolgreich initiiert worden, so ihr Resümee.

 

Wandel jenseits von Wachstum

In einem weiteren Kapitel zum Zusammenhang von Wandel und Wachstum fragt Hans Holzinger nach den Voraussetzungen von Wandel und skizziert Anliegen und erste Befunde der „Transformationsforschung“ im Kontext der BNE. Mit Blick auf Voraussetzungen für das Gelingen „kollektiven Lernens“ und die Anliegen einer „Ethik der Nachhaltigkeit“, den Zusammenhang von Wissen, Sollen und Müssen auszuleuchten und Verbindlichkeiten auszuhandeln, plädiert Holzinger u. a. für die „Schärfung des systemischen Blicks“. Dies könne dazu beitragen, dass „Menschen auch Strukturen verändern“ (vgl. S. 48ff.). Niko Paech hält im folgenden Beitrag gewissermaßen dagegen und insistiert darauf, dass Nachhaltigkeit ohne (individuelle und kollektive) Suffizienz nicht zu haben sei. „Zukünftig wird es nötig sein, die Kunst der Reduktion als veritables Gestaltungsprinzip zu rehabilitieren – sowohl bezogen auf die Gesellschaft insgesamt als auch auf den eigenen Lebensstil.“ Ein Gespräch mit Wolfgang Pekni über die Bedeutung des Ökologischen Fußabdrucks und die Notwendigkeit, „die Kleinheit der Welt begreifbar zu machen“, eine Einführung zum „Rebound-Effekt“ – ist ein solcher Beitrag an dieser Stelle tatsächlich sinnvoll platziert?, - und ein Bericht über das in Wien angesiedelte Projekt „Pioneers of Change“, das Menschen darin bestärkt, „Initiativen für eine lebenswerte, zukunftsfähige Gesellschaft zu entwickeln und in die Welt zu bringen“, runden das Kapitel ab.

Nach zwei Beiträgen zu CSR und nachhaltigem Unternehmertum wird mit der Neugier weckenden Frage „Eine neolithische Revolution im Konsumzeitalter?“den vielfältigen und offensichtlich auch mit einem hohen „Spaßfaktor“ versehenen Aktivitäten im öffentlichen Raum, im Garten und in der Landwirtschaft nachgespürt. Dabei geht es etwa um ein Recht auf Öffentlichkeit, Gemeinschaftsgärten und Ernährungssouveränität durch Gemeinschafts-basierte Landwirtschaft (CSA), aber auch um den „Regenwurm als ‚Superstar‘“.

Zwei Texte jeweils zum Thema Biodiversität -  einmal mit Blick auf die Bedeutung von Naturschutz, einmal zum Zusammenhang von Urbanisierung und Artenvielfalt - sowie zur Rolle der Neuen Medien im Kontext der BNE leiten zum nächsten größeren Themenblock über.

 

BNE International

Unter dem Titel „BNE International“ wird über Initiativen und Projekte in Ägypten, in Korea und in Indien (unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhangs von Urbanisierung und Lebensstiländerung) informiert. Drei Texte diskutieren die Bedeutung von Freiwilligkeit, Ehrenamt und Praktikum. Weiters erörtert wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Kontext der österreichischen Hochschullandschaft im Allgemeinen und an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik im Besonderen, ausführlicher vorgestellt wird zudem der von österreichischen Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen gemeinsam ausgelobte „Sustainability Award“: ausgezeichnet werden seit 2008 u. a. Innovationen in den Bereichen Lehre und Curriculum, Forschung, studentische Initiativen, Management sowie regionale und internationale Kooperation. Mit der Würdigung des Projekts BASEhabitat, mit dem die Architektur/Kunstuniversität Linz neue Wege der Entwicklungszusammenarbeit in Südafrika und Uganda beschritt sowie mit Hinweisen auf Literatur und Websites zum Thema wird der Band abgerundet. Ein gelungener erster Aufschlag! W. Sp.

 

 Bildung für nachhaltige Entwicklung. Jahrbuch 2013. Mit Beiträgen von Gerd Michelsen … Redaktion: Wolfgang Sorgo. Wien: Forum Umweltbildung, 2013. 202 S. € 15,-; sFr 22,50

ISBN 978-3-900717-1