Bericht über die menschliche Entwicklung 2002

Ausgabe: 2002 | 4

Dem vorliegenden Bericht liegt die Überzeugung zugrunde, dass Staaten nur dann menschliche Entwicklung für alle fördern können, „wenn sie über Systeme der Staats- und Regierungsführung verfügen, die allen Menschen gegenüber rechenschaftspflichtig sind, und wenn alle Menschen an den Debatten und Entscheidungen mitwirken können, die ihr Leben beeinflussen.“ (S. 3) Drei Gründe werden hierfür angeführt: Demokratie sei „Teil der menschlichen Entwicklung selbst“. Sie helfe zweitens, Menschen vor wirtschaftlichen und politischen Katastrophen zu bewahren (Wahlen und freie Presse seien – so wird der Ökonom Amartya Sen zitiert – ein starker Anreiz für Politiker, Hungersnöte abzuwenden; durch Freiräume für politische Opposition und Machtwechsel würden Aufruhr und Demonstrationen zwar häufiger, die Eskalation in die Gewalt würde aber zurückgehen). Demokratien könnten drittens positive Ent-wicklungskreisläufe im wirtschaftlichen und sozialen Bereich in Gang setzen (als Beispiel wird u.a. die Bürgerbeteiligung an der Erstellung der Kommunalhaushalte in Porto Allegre angeführt).

Eigene Kapitel thematisieren die Stärkung formeller demokratischer Institutionen, die Demokratisierung des „Sicherheitssektors“ sowie schließlich die Stärkung der Demokratie auf globaler Ebene, wobei die wachsende Bedeutung von NGOs sowie die Notwendigkeit von mehr Transparenz in internationalen Organisationen hervorgehoben werden.

Der zweite Abschnitt des Berichts enthält die bereits bewährte Fortschreibung der Indikatoren für menschliche Entwicklung für alle Staaten der Welt. Erfasst werden darin Bereiche wie Einkommen und Konsum, Zugang zu Bildung und Gesundheit, aber auch Gewährleistung von Sicherheit sowie Umsetzung von Geschlechtergleichheit. Erstmals werden auch „Indikatoren für Staats- und Regie-rungsführung“ ausgeführt, die die Wahlbeteiligung, die von Frauen gehaltenen Parlamentssitze, den Grad der gewerkschaftlichen Organisierung sowie die Zahl der NGOs und die Ratifizierung zweier völkerrechtlicher Instrumente  (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlung) enthält.

Der Report verdrängt die weiterhin bestehende Kluft zwischen Arm und Reich nicht - dass der Anteil der Menschen in extremer Armut im letzten Jahrzehnt von 29 auf 23 Prozent der Weltbevölkerung zurückgegangen ist, kann nicht als Erfolg gewertet werden. Zurecht wird aber darauf gesetzt, dass Demokratisierung eine Grundbedingung von Entwicklung ist. Auch werden die politischen Defizite von (angehenden) Demokratien (140 der an die 200 Länder der Erde lassen mittlerweile mehrere Parteien zu) nicht geleugnet, so etwa die Verquickung von Macht, Geld und Politik durch immer teurere Wahlkämpfe. Die Frage, wie weit der gegenwärtig dominierende Weg der ökonomischen Globalisierung Entwicklung befördert und die Mit-bestimmung der BürgerInnen stärkt, oder ob nicht das Gegenteil der Fall ist und daher Alternativen gestärkt wer-den sollten, wird freilich nur sehr vorsichtig und diploma-tisch angesprochen, wenn es heißt, dass es Stimmen gäbe, für die nicht die Langsamkeit des Wandels das Problem sei, „sondern seine grundsätzliche Richtung“ (S. 3). H. H.

Die Bedeutung des Aufbaus politischer und gesellschaftlicher Institutionen, funktionierender Finanz- und Justizsysteme u.a.m. für wirtschaftliche Entwicklung sind Thema des Weltentwicklungsberichts 2002. Institutionen für Märkte schaffen. Hrsg. v. der Weltbank. Bonn: UNO-Verl., 2002. 293 S. (zu beziehen über: UNO-Verlag, Am Hofgarten 10, D-53113 Bonn)

ISBN 3-923904-49-5

Bei Amazon kaufenBericht über die menschliche Entwicklung 2002. Stärkung der Demokratie in einer fragmentierten Welt. Hrsg. v. UNDP. Bonn: UNO-Verl., 2002. 307 S., ca. € 28,10ISBN 3-923904-50-9