Bankrott der Bildungs- gesellschaft

Ausgabe: 2012 | 3

Kann die Bildung ein politisch gestaltender Akteur sein? Diese Debatte hat eine lange Tradition, Ivan Pasuchin leistet mit seinem Buch „Bankrott der Wissensgesellschaft“ einen neuen Beitrag dazu. Warum ist Pasuchins Teilnahme an der Diskussion wichtig? Er aktualisiert das Thema, blickt auf Thesen und Schlagwörter der vergangenen Jahrzehnte und tut dies in einer Sprache, die einerseits sein Argument klar vermittelt, andererseits das Vokabular der Kritik noch benutzt.

 

Pasuchin erinnert uns an die Versprechen der Wissensgesellschaft. Wohlstand und Lebensqualität waren die Karotten, hinter denen man laufen sollte. Die Versprechen wurden nicht eingehalten.

 

 

 

Bildungszertifikate

 

Pasuchin zeigt, wie wenig sich höhere Bildung in höherer Lebensqualität niederschlug. Weder materiell, noch durch geringeren Druck wurde man belohnt. Ganz im Gegenteil: Pasuchin zeichnet das Bild einer Pyramide, in der am Weg nach oben ein Existenzkampf stattfindet, bei dem Bildungszertifikate den Lebensweg vorbestimmen. Diese Zertifikate erhalte man keineswegs für die Aneignung oder die Produktion von Wissen per se, so der Autor. Nur marktwirtschaftlich Verwertbares Wissen zählt. Schlimmer noch: Kurzfristig muss das Wissen nützlich sein, um den Aufstieg in dieser Pyramide zu schaffen. Die Versprechen einer feinen Wissensgesellschaft waren die Wegweiser in eine Gesellschaft des Überlebenskampfes.

 

 

 

Wissensgesellschaft

 

Aber warum treibt unsere Gesellschaft in diese Richtung? Pasuchin spricht von einer Hegemonie neoliberaler Überzeugungen. Auch im Bildungsbereich gehen immer mehr Lehrende davon aus, dass „jeder seines eigenen Glückes Schmied“ sei und entledigt sich der Verantwortung für Menschen. Die Bildung ist für Pasuchin somit auch Täter. Die Bildungsarbeiter geben den Selektionsdruck, der auf ihnen selbst lastet, oft an die Schülerinnen und Schüler oder die Studierenden weiter. Gleichzeitig kommt gerade das Bildungssystem unter die Räder des Einzugs der ökonomischen Logik. Diese Logik des brutalen Konkurrenz- und Wettkampfes erfasst die Bildungseinrichtungen. Gleichzeitig sollen die Lehrenden die (jungen) Menschen genau für diesen Überlebenskampf fit machen. Ein doppelter Druck, dem viele nicht standhalten.

 

Pasuchin endet nicht kulturpessimistisch. Er will das Bildungssystem in Stellung bringen gegen die ökonomische Logik. Er will, dass man die ökonomischen Übergriffe ersetzt durch einen Eingriff der Bildung in die Art wie wir wirtschaften. Pasuchin ist somit Kulturoptimist, wenn es den Begriff denn gibt. Sehr lesenswert. S. W.

 

 

 

Pasuchin, Iwan: Bankrott der Bildungs- gesellschaft. Pädagogik in politökonomischen Kontexten. Wiesbaden. Springer VS, 2012. 388 S., € 49,95 [D], 51,50 [A], sFr 67,40

 

ISBN 978-3-531-19637-4