Arbeitszeit und Geschlechtergerechtigkeit

Ausgabe: 2015 | 1
Arbeitszeit und Geschlechtergerechtigkeit

sorgerArbeitszeitpolitik spielt eine wichtige Rolle im Kontext der Vereinbarkeit von Beruf und Familie - oder weiter gefasst - im Zusammengehen von Wirtschafts- und Privatsphäre. „Wer dreht an der Uhr?“ Dieser Frage geht Claudia Sorger nach, um herauszufinden, welchen Beitrag Arbeitszeitpolitik zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit leisten kann und welche Rolle die österreichischen Gewerkschaften dabei einnehmen.

Dabei arbeitet sie das Thema der Geschlechtergerechtigkeit, ein Begriff, den sie zwischen Differenz- und Gleichheitsfeminismus einordnet, sowohl theoretisch als auch empirisch auf. Die Analyse der aktuellen Situation zeigt, dass sich Arbeitszeitmodelle noch immer an veralteten Rollenbildern orientieren. Prototyp ist der vollzeiterwerbstätige Mann, der durch seine Partnerin von der Versorgungsarbeit entlastet wird. Tatsächlich leisten Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit, darunter fallen z. B. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Hausarbeit. Weiters ist für Frauen Teilzeitarbeit die erste (und oft einzige) Strategie, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Durch die hohe Teilzeitquote sehen sich Frauen aber wiederum verstärkt mit den negativen Begleiterscheinungen wie schlechteren Aufstiegschancen und niedrigeren Stundenlöhnen konfrontiert. Aber auch junge Männer, die den klassischen Geschlechterrollen widersprechend Angebote wie die Elternkarenz in Anspruch nehmen wollen, sehen sich mit zahlreichen Hürden konfrontiert.

Geschlechtergerechte Arbeitszeitpolitik soll diesen Ungleichheiten entgegenwirken und dazu beitragen, dass Frauen und Männer in gleichem Ausmaß und unter gleichen Voraussetzungen am Erwerbsleben teilnehmen können. Den Gewerkschaften kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Durch aktive Arbeitszeitpolitik könnten sie dazu beitragen, den Zeitkonflikt zu lösen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Doch die Autorin zeichnet mit Blick auf die Sozialpartnerschaft ein eher düsteres Bild. Sie sei männerdominiert, zu wenig transparent und vertrete starke ökonomische Interessen der Wirtschaft, die einer Neubewertung von unbezahlter Arbeit entgegenstehen.  Die österreichischen Gewerkschaften stehen daher vor der Herausforderung, eine aktivere Rolle in der Gestaltung der Arbeitszeitpolitik einzunehmen und „an der Uhr zu drehen“. Vanessa Marent

 

Sorger, Claudia: Wer dreht an der Uhr? Geschlechtergerechtigkeit und gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik. Münster: Westfäl. Dampfboot 2014. 281 S., € 29,90 [D], 31,-[A], sFr 45,-  ISBN 978-3-89691-966-3