Samuel Salzborn

Angriff der Antidemokraten

Ausgabe: 2019 | 1
Angriff der Antidemokraten

Dem Aufstieg der Neuen Rechten in Deutschland widmet sich der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn. Salzborn ist klar in der Kritischen Theorie zu verorten. Das Buch bezieht damit deutlich Position, arbeitet mit der Dekonstruktion rechter Diskurse und beinhaltet den Aufruf, sich den AntidemokratInnen entschieden entgegen zu stellen.

Die Wurzeln der Neuen Rechten liegen in der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik, die als geistige Wegbereiterin des Nationalsozialismus gelten kann. Deren zentraler Denker, der auch heute bei der Neuen Rechten wieder hoch im Kurs steht, ist der „Kronjurist des Dritten Reiches“ Carl Schmitt (vgl. S. 63): Dieser postulierte die Existenz eines ethnisch homogenen Volkes mit einem einheitlichen Willen, der über dem positiven Recht stehe.

Irrelevant in den Nachkriegsjahren, gelang es der Neuen Rechten in den letzten Jahren, sich im öffentlichen Bewusstsein zu verankern: mit der Gründung von Zeitschriften, in den sozialem Medien als Rekrutierungsraum vor allem für Jugendliche, und politisch mit der Gründung der Alternative für Deutschland (AfD). Deren VertreterInnen zeichnen sich durch eine Reihe problematischer Haltungen aus, etwa unverhohlenem Antisemitismus. So wird von einer jüdischen Universalmacht phantasiert, die deutsche Erinnerungskultur als Selbstgeißelung verbrämt, die Deutschen werden als eigentliche Opfer Hitlers stilisiert: „Die antisemitischen Fälle in der AfD sind so umfangreich, dass die meist übliche rechte Strategie, diese als Einzelfälle zu verniedlichen, substanzlos geworden ist.“ (S. 112) Der Neuen Rechten eigen ist auch die Neigung zu Verschwörungstheorien, die darauf abzielen, Affekte zu mobilisieren – gegen die Rationalität der Aufklärung: „Es sind die Phantasien von einer regredierten Welt, der Traum von einem harmonischen und widerspruchsfreien (völkischen) Selbst, in dem alles nur einer Logik gehorcht, nämlich der eigenen – keine Widersprüche, keine Ambivalenzen, nur (gemeinschaftliche) Identität. Das ist das Ziel der affektiven Mobilisierungsstrategien: den Verstand zu suspendieren.“ (S. 120)

Die Bedeutung von Sozialen Medien

Soziale Medien spielen hier eine besonders wichtige Rolle – sie vernetzen Gleichgesinnte, sie vermeiden damit Kontroversen und schaffen bequeme Filterblasen. Wer sind nun diese Neuen Rechten? Die „besorgten Bürger“ sind meist männlich, durchaus gebildet und sozial in der Mittelschicht zu verorten. Was diese Personen vor allem kennzeichnet, ist eine tiefe Angst vor dem sozialen Abstieg und ein Anspruchsdenken, das nicht weiter reflektiert ist: Man glaubt ständig, im Gegensatz zu anderen käme man zu kurz: „(...) den eigenen, immer als zu klein empfundenen Wohlstand, um jeden Preis gegen diejenigen verteidigen zu wollen, die ihn symbolisch überhaupt erst ermöglicht haben – und die im rechtsextremen Weltbild dann zum homogenen Kollektiv der ‚Ausländer‘ fusionieren“ (S. 136).

Dieses Weltbild war wohl vorher schon vorhanden, wird jetzt aber von der AfD gekonnt kanalisiert. Salzborn sieht nach wie vor eine große Mehrheit in Deutschland gegen die „völkische Rebellion“ – aber diese sei nicht laut genug. Ein erster Schritt wäre, die Demokratie durch die Ausgrenzung rechter Parolen zu schützen. Dies sei keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern ein Akt der Selbstverteidigung: „Man darf uneinig sein – aber eben nicht auf einer beliebigen Grundlage, da Demokratie eine Herrschaftsform ist, die darüber entscheiden muss, wer ihre Grundregeln verletzt“ (S. 191). Zudem ruft der Autor auf, die „alternativen Fakten“ als das zu demaskieren, was sie sind: Lügen. Dazu braucht es eine Repolitisierung der etablierten Parteien, also mehr politischen Wettbewerb anstelle einer konturlosen politischen Mitte – und eine Rehabilitation des zunehmend als schwerfällig kritisierten Interessensausgleichs.

Angreifbar macht sich der Autor durch eindeutig wertende Kommentare, etwa wenn er von „männlich-gockelnder Eitelkeit“ rechter Vertreter spricht, ihnen „narzisstische Selbstinszenierung“ und „kleinbürgerliche Spießbürgerlichkeit“ unterstellt. Das Buch hätte auch ohne solche Auslassungen einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Krise der Demokratie geleistet.