Grundrechte-Report 2016

Ausgabe: 2017 | 4
Grundrechte-Report 2016

1997 gaben namhafte JuristInnen in Deutschland erstmals den Grundrechte-Report heraus. Zum 20. Geburtstag hält der Report Rückschau und greift aktuelle grundrechtliche Problemfelder auf, die auch in anderen nationalen Kontexten höchst relevant sind: von Fragen zum Asylrecht, dem Ausbau des Überwachungsstaates, von Polizeigewalt bis zu Einschränkungen des Versammlungsrechts – nur um einige wenige Themen zu nennen.

Der Grundrechte-Report wurde ursprünglich als „alternativer Verfassungsschutzbericht“ konzipiert. Während der deutsche Verfassungsschutzbericht den Fokus auf Sicherheitsfragen legt, stellt der Grundrechte-Report Menschenwürde, Grundrechte und den demokratischen Rechtsstaat ins Zentrum seiner Ausführungen (vgl. S. 15). Beharrlich verweisen die verschiedenen AutorInnen darauf, dass Freiheitsrechte auch in Krisenzeiten nicht verhandelbar seien: „Die wirklichen Gefährdungen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit der Grundrechte und des Rechtsstaats gehen vielmehr im Wesentlichen von staatlichen Institutionen aus, angebliche verfassungswidrige und extremistische Bestrebungen und Organisationen haben zu keinem Zeitpunkt ernsthaft unseren demokratischen Staat gefährden können (…).“ (S. 13)

Von den zahlreichen Themen, die der Grundrechte-Report aufgreift, seien drei besonders kontroverse kurz präsentiert:

Ulrike Donat bezeichnet die undemokratische Atommüllpolitik mit Verweis auf Robert Jungk als „Atomstaat in Aktion“ (S. 31). Dabei kritisiert sie die grundrechtlichen Folgen des Technik-Glaubens, der auch nach der Energie-Wende betroffene BürgerInnen nicht ausreichend einbindet. Tatsächlich hätte die Atommüllpolitik nie eine demokratische Legitimation gehabt; politische Entscheidungen basierten vor allem auf Fortschrittsglauben, „(…) statt auf einer soliden Informations- und Wissensbasis (…)“ (S. 35).

Zum Nachdenken regt der Beitrag von Rosemarie Will an, die im Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe eine „verfassungswidrige Grundrechtseinschränkung“ erkennt (S. 48). Will argumentiert, dass Ärzte als Sterbehelfer somit ausschieden und Sterbehilfe im Graubereich bleibe, was vor allem der Suizidprävention zuwiderlaufe. Wills Herleitung eines Rechts auf Suizidhilfe vom Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit (Art. 2(1) Deutsches Grundgesetz) kann freilich diskutiert werden, jedoch bleibt eine Erörterung des Themas im Lichte von Grundrechtschutz höchst relevant – auch in anderen Ländern.

Ähnlich verhält es sich mit dem Beitrag zur strafrechtlichen Verfolgung von Cannabis-KonsumentInnen: In Bezugnahme auf Art. 20 III Deutsches Grundgesetz (Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden) argumentiert Holger Niehaus, dass das existierende Cannabis-Strafrecht dem Staat ein unverhältnismäßiges Instrument zum Freiheitsentzug gibt. Tatsächlich dürfe der Gesetzgeber Freiheitsentzug nur einsetzen, „wenn ein bestimmtes Verhalten in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“ (S. 173). Mit Blick auf die Akzeptanz von anderen gefährlichen Genussmitteln (besonders Alkohol und Zigaretten) erscheint die Kriminalisierung von hunderttausenden Cannabis-KonsumentInnen als unlogisch und ein grundrechtliches Problem.

Fazit: Auch 20 Jahre nach seinem ersten Erscheinen hat der Grundrechte-Report nichts von seiner gesellschaftlichen Relevanz und politischen Brisanz eingebüßt. In Österreich wäre eine ähnliche Publikation ein Gewinn für die Debatte um Grund- und Menschenrechte.