Grundlagen und Methoden der Zukunftsforschung

Ausgabe: 1998 | 3

Die Globalisierung der Wirtschaft, globale wie regionale Umweltprobleme, sich verschärfende soziale Konflikte, neue internationale Konfliktsituationen und rasante technologische Innovationsschübe erzeugen einen enormen Reformdruck und damit einen hohen Bedarf an Orientierungswissen. Dieses zur Verfügung zu stellen, wäre eine lohnende Aufgabe der Zukunftsforschung, was jedoch - zumindest im deutschsprachigen Raum - nur punktuell gelingt. Karlheinz Steinmüller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sekretariat für Zukunftsforschung in Gelsenkirchen, sieht für dieses Manko zumindest zwei Ursachen: Die schwache Institutionalisierung der Zukunftsforschung sowie deren "defizitäre disziplinäre Selbstreflexion über die grundlegenden theoretischen und methodischen Konzepte, deren Tragweite und Schwachstellen." Letzterem abzuhelfen war Ziel und Motivation der vorliegenden Studie.

Einem kurzen Abriß über Geschichte und Grundlagen der Zukunftsforschung sowie "philosophischen und logischen Aspekten von Zeit und Zukunft" läßt Steinmüller den Versuch einer Systematisierung von Methoden dieser "nach traditionellem Wissenschaftsverständnis" (zu) spekulativen Disziplin folgen: "Aussagen über Zukünftiges können per definitionem an dem Zeitpunkt, zu dem sie gemacht werden, nicht überprüft werden" (S.27), dennoch - so der Autor zu Recht - könne die Qualität von Voraussagen und der hierfür angewandten Verfahren überprüft werden. Steinmüller greift drei solcher Verfahren heraus: die Szenario-Technik, die Delphi-Methode und die Technikvorausschau, die in Unternehmen wie in Verwaltungen und der Wissenschaft Anwendung finden. Auch wenn ExpertInnenbefragungen nach dem Delphi-Prinzip in der BRD (und auch in Österreich) in den letzten Jahren eine "bedingte Renaissance" erfahren, gehe nach internationaler Literatur der Trend zur Szenario-Methode, die sich durch Anschaulichkeit, höhere Komplexität und Diskursivität sowie die Verbindung empirischer und intuitiver Verfahren auszeichnet. Die Vorzüge können jedoch in Nachteile umschlagen: "Anschaulichkeit und Verständlichkeit kann Suggestivität nach sich ziehen". (S. 62) Generell stellt Steinmüller eine Ausweitung kreativ-partizipatorischer Elemente - zumindest in der einschlägigen Managementliteratur - fest. Der Planungszuversicht der 70er Jahre sei ein klares Umdenken gefolgt: ”Vernetzungen und die Einbindung unterschiedlicher Akteure werden betont, man verläßt sich weniger auf einen Trend, berücksichtigt Alternativen und Bandbreiten, ist auch in späteren Planungsstufen offen für Anregungen und Änderungen." (S. 46) Technikvorausschau, verstanden als "Erzeugung von Orientierungswissen über künftige Technologieentwicklungen" (S. 85), hält Steinmüller für eine ”Erfolgsbedingung im globalen technologischen Wettbewerb" (ebd.) und unterscheidet diese bewußt von der nicht minder wichtigen Technikfolgenabschätzung, die soziale, ökologische und kulturelle Implikationen neuer Technologien erfaßt.

Steinmüllers Systematisierungsversuch. der auch einen Überblick über die aktuelle Literatur gibt macht deutlich, wie Zukunftsforschung im Dreieck von Wissen, Zielfindung und strategischem Handeln zur Zukunftsgestaltung beitragen kann und damit auch zur Überwindung unserer liebgewonnenen Illusion, "daß - mit ein wenig Glück - alles so weitergehen werde wie bisher, nur eben in gesteigerten Dimensionen" (S. 102).

 H.H.

Steinmüller, Karlheinz: Grundlagen und Methoden der Zukunftsforschung. Szenarien. Delphi, Technikvorschau. Gelsenkirchen: Sekretariat für Zukunftsforschung, 1997. 110 S. (WerkstattBerichte; 21 ). DM 20. 1sFr 20. - 1öS 156, - (Zu bestellen bei: SFZ Munscheidstr. 14, 0-45886 Gelsenkirchen. Fax. 0209/1672801, E-Mail: sfz@wipage.de)